Firma Werner & Roosen,  Köln
"werroo" - eine erfolgreiche Marketing-Strategie der 20-er Jahre
von Gustave Roosen    (Aktualisiert 06 / 2002)



Ein Karton Kohlepapier -                                                                                   Herzstück des Unternehmens      Gustav Valentin Roosen fand als junger Mann, ambitioniert, zielstrebig und um Existenzgründung bemüht, sehr bald heraus, daß mit einem Konsumartikel Geld zu verdienen sei, wenn er nicht nur auf örtlichen Vertriebsbereich bezogen, son-
dern ein landesweiter Vertrieb einzurichten ginge.

     Mit brillianten Ideen, die heute unter dem Aspekt  "P.R. und modernes Marke-
ting"  gelehrt und verwirklicht werden, entwickelte er, hochmotiviert und durchset-
zungsstark, schon damals, ab 1907, sein Unternehmenskonzept nach den Ge-
sichtspunkten "Alleinstellungsmerkmal", "Zielgruppe Industrie und Wirtschaft"  und "Vertriebs-
schwerpunkte an allen größeren Plätzen".

     Aus diesem Surrogat von Zielvorgaben kristallierte sich ein Artikel, dem man so ohne Weiteres nicht viel zutraute - Kohlepapier für Kopien von Schreibmaschinen-geschriebenen und HandDurchschreibepapier für Kopien von handschriftlich geschriebenen Originalen, dazu, ergänzend, Farbbänder in allen Variationen.
Signet WERROO
     Bemerkenswert ist, daß der Gründer des Unternehmens - als sein eigener PR-Experte - seinen Markennamen eigenhändig entwarf und dieser dann auf allen "prints" zu finden war - von der Kartonnage bis zum Briefbogen und Siegelmarke. Und auf allen Reklame-Artikeln.

Der Chef mit 42 Jahren, 1929 Als Gründer und Alleininhaber des Unternehmens unterzeichnete er hand-
schriftlich mit dem Schriftzug "Werner&Roosen" - das war damals, laut Eintrag im Handelsregister, noch möglich.

     Jetzt galt es, Lieferanten zu gewinnen und geeignete Handels-
vertreter von dem Artikel und den Absatz-Aussichten dafür zu be-
geistern und einzustellen.

     Schon diese Hürden galt es zu meistern, denn sie erforderten einen ziemlichen Kapitalbedarf - für die zukünftigen Lieferanten (die
Führenden der Branche) Großabschlüsse für garantierte Abnahmen von deren Markenpapieren, allerdings in werroo-Eigenaufmachung, für Handelsvertreter mit Garantie-Einkommen für die Zeit der Ein-
führung samt Spesen usw., für Kartonnagen-Lieferanten und andere graphische Betriebe für die Durchsetzung des Marken-Konzeptes zu finden und endlich die Auftragsvergabe für den Artikel selbst, für Kartonnage, für das Anmieten geeigneter Räumlichkeiten und für das Einstellen von möglichst zuverlässigem Personal.
Der Chef bewies auch hier eine glückliche Hand, seine Chefsekretärin, Karoline H. diente dem Unternehmen mehr als 40 Jahre, deren Kollegin aus der Buchhaltung, Grete G. ebensolange - das Betriebsklima war erfreulich - auch wenn der Boss nicht immer einfach zu nehmen war.

      Das liest sich heute einfach - aber zur damaligen Zeit, ab 1907, erforderte es ungeheuere Kraftakte, Kapital zu beschaffen, alles so durchzusetzen und Engpässe schadlos zu überwinden.

     Das Konzept durchzusetzen gelang. In Köln, in der Gereonsmühlengasse 24 entstand die Vertriebszentrale für die jetzt, 1911, zunächst mit einem Partner gegründete Firma "werroo" - WERNER & ROOSEN. Und das im Alter von erst 21 Jahren!

aus dem Gedächtnis nachgezeichnet - das Vorder- und RückgebäudeEs war ein Vorderhaus (WERROO-HAUS) mit großer Toreinfahrt, als Mehrfamilienhaus mit Zugängen rechts und links von der Durchfahrt.
Hinter der Durchfahrt gelegen befand sich der gewerbliche Trakt, bestehend aus Büroräumen im Obergeschoss, Lager und Versand im Unter-
geschoss, einer Pförtner-Loge, einer Rampe für das Verladen der Sendungen und einer längs-
seitigen Zufahrt, die am Ende derselben zu
den Garagen führte.
Im Packraum, an der Laderampe, wurden täglich kistenweise die Bestellungen verpackt; für den Autor war es damals ein Riesenvergnügen, den "tempo"-Dreirad-Lieferwagen eine gewisse Strecke steuern zu dürfen.
Ging man die Zufahrt entlang, kam man direkt zur Rückseite des Gefängnis-Traktes "Klingelpütz" - ein altes Gemäuer, das schon mehr als 100 Jahre existierte.
Bombenschäden und die Unmöglichkeit, größere Renovierungen durchzuführen, ließen einen JVA-Neubau in Ossendorf entstehen - zum Leidwesen der Insassen, die jetzt in einem stärker gesicher-
ten Trakt, ausbruchssicher, untergebracht waren und die verbalen Kassiber, die von den Hinter-
höfen der Gereonsmühlengasse noch hinaufgerufen wurden, hörten damit auf.


Der Inhaber, Gustav Roosen, 1937William Roosen
 - der BruderDie Blütezeit erlebte das Unternehmen zehn Jahre nach Gründung bis Anfang der vier-
ziger Jahre.
Die Firma hatte Niederlassungen in Berlin, Hamburg, Wien und, für kurze Zeit, sogar in Buenos Aires.
In Berlin sorgte sein Bruder William für Auf-
träge, solche vom RLFM u.a.
Ihm verdankte Gustav nicht nur Großaufträ-
ge, sondern auch eine erfolgreiche Über-
lebens-Strategie in der wirren Zeit vor, wäh-
rend und nach Kriegsende. Auch der Autor verdankt seinem Großonkel ein Überleben
in der kritischen Phase der Besetzung durch englische Kampftruppen am Steinhuder Meer.

     Es wurde Geld verdient. Die Neigung und das Talent des Inhabers, Beziehungen herzustellen und Verbindungen zu schaffen, bewährte sich. Die Bemühungen, sein persönliches "Image" zu verbessern, wurde durch ein ihm übertragenes Mandat, als Wahlkonsul (Frankreich) in Krefeld zu amtieren und damit den Titel "Konsul" zu führen, gekrönt.

Die Frau Konsul Dieser Titel öffnete ihm Türen zu höchsten gesellschaftlichen Kreisen und schufen weitreichende geschäftliche Kontakte, die sich auszahlten. Seine repräsentative Gemahlin, Gertrud, Immobilienbesitz, der sich mehrte, ein üppig bemessener Wagenpark (Mercedes SSK, ein Horch und ein Maybach gleichzeitig), zwei Chauffeure, luxuriöse Reisen, Garderobe und Inneneinrichtungen seiner Häuser - alles nur vom Feinsten.

Für juristischen Beistand sorgte ab 1938 ein ehemaliger Regierungsrat a.D., Dr. Kurt M., der als Syndikus der Firma zeichnete und für alles behördlich-Administrative die Wege ebnete. Das war auch deshalb notwendig, weil der Inhaber, Großkaufmann, Konsul, kein Mitglied der NSDAP war und somit auch Schwierigkeiten, aus dieser Richtung kommend, abgeblockt werden konnten. Das "Stresemann" - Papier

     Vor Antritt einer zweijährigen Weltreise, die er zusammen mit einem Freund 1924 unternahm, ließ er sich vom Minister des Auswärtigen ein Papier, unterschrieben von Außenminister Gustav Stresemann höchstpersönlich, ausfertigen, welches ihm auch im Ausland Türen der dort ansässigen deutschen Botschafter bei Bedarf öffnen half.

     "Der Inhaber der Firma Werner & Roosen in Köln a.Rh., Herr Gustav Valentin R o o s e n begibt sich im Interesse der deutschen Industrie auf eine Weltreise. Ich bitte die deutschen Auslandsvertretungen, Herrn Roosen zur Erreichung seines Reisezweckes eine etwa gewünschte Unterstützung zuteil werden zu lassen und ihn auf Wunsch mit Empfehlungen zu versehen.
(Unterschrift Stresemann)

Von den Kriegswirren blieb Werner & Roosen, Köln nicht verschont; sein Mercedes Kompressor wurde Anfang 1940 mitsamt einem seiner Fahrer kriegsverpflichtet, d.h. ersatzlos eingezogen. Eine dreiste Intrige seitens des Chauffeurs wurde vermutet. In einem der Großangriffe auf Köln fiel auch die Gereonsmühlengasse in Schutt und Asche. Als Notlösung wurde ein Ausweich-
quartier in Detmold angemietet, in welchem der Geschäftsbetrieb behelfsmäßig weitergeführt wurde.

Nach Überwinden aller mit dem Kriegsende und Besatzung verbundenen Schwierigkeiten bezog der Chef ein weiteres Ausweichquartier, diesmal aber wieder in Köln, am Ubierring 57. Als es dort zu eng wurde und sich die ersehnte Möglichkeit bot, auf dem Trümmergrundstück der Gereonsmühlengasse 24 eine Bürobaracke zu errichten, nahm man diese Möglichkeit wahr. Endlich wieder in behelfsmäßigen, aber eigenen Räumen.


behelsmäßige Bürobaracke, BMW Heute existiert das Grundstück Nr. 24 - wie seinerzeit bestehend - an seinem ursprünglichen Platz nicht mehr; es fiel im Zuge der Stadtplanung einige Jahre nach Kriegsende und Trümmer-Beseitigung, nach 1956, einer neuen Trasse, die als neue Strasse (Kyoto-Straße) angelegt wurde, zum Opfer.
Bis zur Räumung des Grundstücks, auf dem man behelfsmäßig eine Büro-Baracke errichtete, wurde der Geschäftsbetrieb weitergeführt; nach der Räumung bezog man Geschäftsräume auf der Neusser Strasse, ganz weit draussen in Nippes.
Das Klingelpütz-Gefängnis und die Klingelpütz-Volks-
schule (die der Autor bis 1938 besuchte) sind längst abgerissen.



     Nach Kriegsende zeichnete sich ein Strukturwandel ab - immer mehr größere Firmen und damit größere Abnehmer stellten auf "Hollerith"-Verfahren um, das Lochkarten-System - der Vorläufer von EDV. Diese Umstellung und die Einführung von Formularsätzen mit eingeschos-
senem Einmalkohlepapier sowie Kleinoffset-Maschinen für den Büro-Alltag mussten auch die Hersteller von diesen chemo-technischen Papieren hinnehmen.

EPILOG     Der Konsul, gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe, verstarb an einer kräftezehren-
den Grippe 1955; sein  50. Firmenjubiläum   konnte er nicht mehr erleben. Der Erbfolge nach übernahm sein ältester Sohn Georg die Firma, der allerdings auch eine eigene Textilwarenfirma leitete. Spannungen führten dazu, dass es intern zu Querelen kam und die Firma 1967 verkauft wurde. Derjenige, der die Firma übernahm, ein ehrgeiziger, ehemaliger Außendienstmann der Firma, konnte zwar hervorragend verkaufen aber gegen die Strömungen des Strukturwandels nicht gegensteuern. Heute erinnern nur noch einige Reklameartikel, die die Zeit überdauerten, an die Glanzzeit von werroo und die seines Gründers und Patriarchen.
               Der Autor, Insider, Enkel des Firmengründers, arbeitete 15 Jahre im Außendienst für "werroo".


© Gustave Roosen Eine e-mail an mich?

zurück zu "Die Roosens in Köln"