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Informationen

zum

Trinationalen Schüleraustausch

mit unseren Partnerschulen in Ungarn und Rumänien
 

Das Mátyás-Király-Gimnazium in Fonyód ist seit 1983 ununterbrochen Austauschpartner des Franz-Ludwig-Gymnasiums (somit dürfte dies eines der ältesten deutsch-ungarischen Schüleraustausch-Projekte darstellen). Längst ist darüber hinaus eine Freundschaft zwischen den Städten erwachsen, die in gegenseitigen Besuchen der Bürgermeister ihren Ausdruck fand. Am Gymnasium in Fonyód wird Deutsch als Fremdsprache ab der 8. Klasse (in einer sogenannten „Sprachklasse“) unterrichtet, so dass die Schülerinnen und Schüler bereits über vertiefte Sprachkenntnisse verfügen und diese während des Austausches oft noch erheblich ausbauen können.

 

Das Ady-Endre-Liceul in Oradea (Austauschpartner ununterbrochen seit 1991) ist eine Schule, in der vor allem die Kinder der ungarischsprachigen Minderheit Oradeas unterrichtet werden. Sie erhalten ab der 5. Klasse Deutschunterricht und sprechen in der Mehrzahl ein ausgezeichnetes Deutsch. Die weiterhin beteiligten Schüler aus dem Gojdu-Liceul (ebenfalls seit 1991) und dem Eminescu-Liceul (seit 2000) lernen Deutsch ab der 8. Klasse, allerdings mit einem solchen Engagement, dass auch sie über sehr gute Sprachkenntnisse verfügen.

 

Neben den regelmäßigen Austauschveranstaltungen, die jährlich seit 1983 im Juni/Juli in Ungarn, Deutschland und Rumänien stattfanden, haben die Schulen auch darüber hinausgehende Kontakte geknüpft, wie z. B. gegenseitige Besuche von Schulchören etc. belegen. Regelmäßig besuchten die ungarischen und rumänischen Schüler nicht nur Bamberg, sondern auch gegenseitig ihre Städte und Schulen – nicht zuletzt, weil die ungarisch-rumänische Aussöhnung ein zusätzliches Ziel des trinationalen Austausches darstellt. Regelmäßig (z.B. zu Weihnachten) gibt es am Franz-Ludwig-Gymnasium Spendenaktionen (Kleidung, Bücher etc.), die insbesondere Schülern aus den o.a. Gymnasien in Oradea zugute kommen.

 

Regelmäßige Planungsabsprachen gibt es am Ende des Sommeraustausches sowie in der Karwoche vor Ostern in Oradea. Die wesentlichen Ziele sind seit Beginn des Austausches die gleichen geblieben: Sprachlich hinreichend qualifizierte Schüler aus Ungarn und Rumänien – bevorzugt solche, die noch nie in Deutschland gewesen waren bzw. deren finanzielle Situation solche Privatbesuche auch nicht erlaubt – und interessierte, sozial engagierte Schüler aus dem Franz-Ludwig-Gymnasium (die zudem eine Reihe zusätzlicher Planungsaufgaben übernehmen müssen) besuchen einander, lernen Alltag, Lebensweise, Kultur, Sprache, Schulsystem etc. der anderen Partner kennen und gestalten bzw. absolvieren ein gemeinsames Programm. Die deutschen Schüler können mit einem Eigenanteil ihre Reisekosten und Spesen weitgehend tragen, was den ungarischen Schülern schon schwerer fällt. Besonders problematisch ist die Situation für die rumänischen Kinder (Durchschnittseinkommen der Eltern ca. 50-100 Euro im Monat), so dass für ihren Transport sowie für ihre Unterbringung (Schülerwohnheim in Fonyód; Eintrittskosten, Unterkunft bei der Dreitagesfahrt nach München etc.) von uns die Kosten übernommen werden müssen.

 

Bereits am Ende der Jahrgangsstufe 10 werden unsere Schüler in einer Informationsveranstaltung auf das Austauschangebot im folgenden Schuljahr hingewiesen, das sich mithin nur an die Jahrgangsstufe 11 richtet. Ihnen wird insbesondere die Bedeutung unserer „östlichen Nachbarn“ für die EU-Erweiterung vor Augen geführt, aber auch der Austausch mit einer weithin als fremd empfundenen Region Europas (Balkan, Orthodoxie; z. T. osmanische Prägung etc.) „schmackhaft“ gemacht. Bereits im Juni dieses Jahres erhalten die Schüler der 10. Klassen am FLG einen „Bewerbungsbogen“, in dem sie begründen sollen, warum sie am Schüleraustausch teilnehmen und welchen Beitrag sie dafür leisten wollen.

 

In den ersten Monaten des neuen Schuljahres müssen sich die interessierten Schüler verbindlich anmelden. Sie sind zur Teilnahme regelmäßig stattfindender Vorbereitungsstunden (im Block: alle zwei Monate ein Samstag) verpflichtet. Hierbei wird in Absprache mit den Schülern das Austauschprogramm in Bamberg bzw. Bayern festgelegt. Ihre Beteiligung am Austauschprogramm ist durchaus umfangreich: In verschiedenen Arbeitsgruppen erstellen die Schüler das neue Austausch-Logo, das auf Bannern oder T-Shirts (als Austauschgeschenke) aufgedruckt wird. Sie bereiten mehrere Gottesdienste vor, erstellen ein Liederbuch mit Beiträgen aus allen drei beteiligten Ländern und finden sich in Gruppen zusammen, die Texte zum Austausch verfassen, Fotos oder Videos anfertigen oder kurze Referate zu bestimmten Programmpunkten erstellen. Festliche Abende werden durch eingeübte Tänze, musikalische Darbietungen etc. gestaltet. Auch die Organisation von Sportveranstaltungen oder dem Abschiedsabend wird in enger Zusammenarbeit mit den Schülern und deren Eltern vorgenommen. Nicht zuletzt erhalten die Schüler von ungarischen und rumänischen Studenten (die ihrerseits vor Jahren durch diesen Austausch in Kontakt zu Bamberg geraten sind und nun hier studieren) eine Einführung in die Sprache unserer Gastländer. 

 

Lernziele, Themen, Aktivitäten:

·         gegenseitige Erkenntnis und Wertschätzung der gemeinsamen, miteinander     verwobenen Vergangenheit sowie Erinnerung an Verbrechen und Versöhnung der Völker (historische Exkursionen in Ungarn und Rumänien: z.B. ungarisches Dorf aus der Völkerwanderungszeit, „Haus des Volkes“ in Bukarest, Märtyrerfriedhof Bukarest, Parlament Budapest, alte Moschee Pécs, KZ Dachau, Reichsparteitagsgelände Nürnberg etc.)

·         Einblicke in die gemeinsame Vergangenheit (Deutsches Forum in Oradea und Neu-Palota; Haus des deutschen Ostens, München etc.)

·         soziales Engagement in Rumänien: Besuch der Caritas Oradea; Teilnahme an Armenspeisung, Essen auf Rädern usw., Besichtigung von Hilfsprojekten und Initiativen wie „Posticum“ in Oradea

·         Überwindung der seit 1920 (Trianon) bestehenden ungarisch-rumänischen Gegensätze

·         Toleranz, Einleben in fremde Kulturkreise und Alltagsleben unter verschiedenen sozioökonomischen Rahmenbedingungen, Schließen von Freundschaften, sportliches Kräftemessen

·         Teilnahme am schulischen Leben; Kenntnisse über das jeweilige Schulsystem, seine Anforderungen und die übliche Unterrichtspraxis

·         Teilnahme an politischen Diskussionen (z.B. Empfänge bei der Bürgermeisterin von Oradea, dem Bürgermeister in Fonyód etc.); kritische Würdigung politischer Maßnahmen, Anregungen zu eigenem sozialen Engagement (mehrere ehemalige Austauschschüler sind seitdem mit Hilfstransporten nach Rumänien gefahren; ein ehemaliger Austauschschüler leistet in Oradea nun seinen Zivildienst ab).

·         Organisatorische Aufgaben, Verantwortung für das Gelingen bestimmter Teilbereiche der Fahrt

·         gemeinsame Projekte z.B. Gestaltung eines Fest- oder Abschiedsabends; Einüben multinational besetzter Sketche, gemeinsames Singen und Musizieren, gegenseitiges Vorstellen der Heimat, Integration in die Gastfamilie etc.

·         Reflexion der Fahrt: Erstellung von Zeitungsberichten; Zusammenschneiden von Videobeiträgen; Aufbau eines Ausstellungswand usw.

 

Ein zentrales Anliegen dieses trinationalen Austauschprojektes sehen wir darin, den Jugendlichen Lebensentwürfe inner- bzw. außerhalb der westlichen Wohlstands-gesellschaft vor Augen zu führen, sie die Chancen und Probleme eines „gemeinsamen Hauses Europa“ erfahren zu lassen, sie neuartigen kulturellen Einflüssen und auch ungewöhnlichen und nur mit eigenem Engagement und in Teamarbeit zu bewältigenden organisatorischen Aufgaben „auszusetzen“. Die Schüler erfahren und praktizieren Gastfreundschaft und Toleranz und erleben sich in der Rolle von „Botschaftern“ ihres Landes in Gastländern, die traditionell recht enge und freundschaftliche Bindungen zu Deutschland haben.

 

Die erheblichen Folgewirkungen seien nur an drei Beispielen aufgezeigt:

 

a) Die heute den Austausch betreuenden Kollegen in Ungarn (Zoltan Keserü) und Rumänien (Carmen Bubela) haben ihrerzeit selbst als Schüler am Austausch teilgenommen.

b) Die Schwester einer Austauschschülerin des Vorjahres konnte durch eine Operation von ihrem Krebsleiden geheilt werden, die erst durch eine große, vor allem von unseren Schülern getragene Spendenaktion finanzierbar wurde.

c) Jede Austauschfahrt wird von privaten Fahrten unserer Abiturienten flankiert, die ihrerseits einen Teil ihres „Nach-Abitur-Sommers“ bei ihren früheren Austauschpartnern in Fonyód oder Oradea verbringen.

 

Der Schüleraustausch zwischen dem Partnergymnasium in Fonyód/Ungarn besteht bereits seit 20 Jahren ohne Unterbrechung, mit den Gymnasien in Rumänien seit 12 Jahren. Alle Gruppen waren durch eine intensive Vorarbeit sehr gut mit der jeweiligen Situation in den Partnerländern vertraut.

Da in Fonyód Deutsch als erweiterte Fremdsprache gelehrt wird, gab es keine Kommunikationsprobleme; auch die rumänischen Schülerinnen und Schüler aus den drei Gymnasien in Oradea/Großwardein – das liceul M.-Eminescu, das in diesem Jahr wieder in den Austausch mit einbezogen worden ist, besitzt eine Sprachklasse, in der Deutsch als Muttersprache gelehrt wird- verfügten über erstaunliche Deutschkenntnisse.

 

Bei den offiziellen Empfängen wurde immer wieder die in Europa einzigartige Kontinuität dieses Schüleraustausches hervorgehoben.

 

Eine besondere Note erhielt der diesjährige Schüleraustausch durch die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen der Schulpartnerschaft mit dem Mátyás Király Gimnázium in Fonyód. Schüler aus allen fünf  beteiligten Gymnasien gestalteten den „Festakt“ in Bamberg und Ungarn, der bewusst von den Schülern für die Schüler konzipiert war.

 

Eine besondere Würdigung erfuhr der Schüleraustausch durch einen Empfang im ungarischen Parlament durch die Präsidentin des ungarischen  Landtages, Frau Dr. Katalin Szili, die in einer kurzen Ansprache die Bedeutung des 20-jährigen Austausches hervorhob. Bei dieser Gelegenheit überreichte sie eine Urkunde, in dem das ungarische Parlament seine “Anerkennung und (seinen) Dank“ dem Berichterstatter gegenüber ausspricht.

 

Unsere Gäste hatten während des Aufenthaltes in Bayern genügend Zeit, den Unterricht in den verschiedenen Fächern zu besuchen. Beeindruckt waren die Gäste von einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte in Dachau.

 

Einmütig wurde wieder von den ungarischen und rumänischen Gästen festgehalten, dass die gemeinsam verbrachten Tage hier und in deren Heimatländern viel dazu beigetragen haben, Vorurteile vor allem  zwischen den Nationen in Rumänien und den in Rumänien und in der Republik Ungarn lebenden Ungarn abzubauen. Begeistert äußerten sich alle Teilnehmer über die überwältigende Gastfreundschaft in den jeweiligen Gastfamilien.

Leider reichte die Buskapazität niemals aus, um allen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, an allen Exkursionen teilzunehmen.

 

Dass der Schüleraustausch nicht mit dem Tag der Verabschiedung beendet ist, zeigt die Tatsache, dass eine Bamberger Schülergruppe bereits Mitte August wieder nach Oradea fährt; eine andere Gruppe, der sich auch viele Ehemalige angeschlossen haben, besuchen in der letzten Ferienwoche die Partnerschule in Fonyód. Ein Abiturient des Jahrganges 2002, der am Schüleraustausch teilgenommen hatte, wird seinen Zivildienst bei einer kirchlichen Institution in Oradea ableisten und eine Schülerin der 13. Jahrgangsstufe wird im August drei Wochen in einem Krankenhaus in Oradea arbeiten.

 

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Partnerschaften zu einem festen Bestandteil des jeweiligen Schullebens geworden sind und auch von den Lehrerkollegien mitgetragen werden.

 

In vielen Diskussionen mit den rumänischen Schülern wurde immer wieder hervorgehoben, dass der Schüleraustausch für sie eine einmalige Gelegenheit ist, eine andere Kultur kennen zu lernen. Aber auch unseren ungarischen Partnern aus „Normalfamilien“ fällt es immer schwerer, trotz der öffentlichen Förderung durch Deutschland die finanziellen Mittel für eine solche Reise aufzubringen; fast durchwegs müssen die Schüler während der Ferien arbeiten, um u.a. die Schulbücher (keine Lehrmittelfreiheit!) und neue Kleidung zu kaufen.