Polleninvasion vom Haselstrauch
Fränkische Wildpflanzen (11): Ein Porträt der Haselnuß

Noch bevor die Pracht der Frühblüher sich in den winterlichen Buchenwäldern entfaltet und die neue Vegetationsperiode einleitet, fallen dem aufmerksamen Spaziergänger schon im Februar die hängenden Blütenkätzchen der Haselnuß an Hecken und Waldrändern auf. Sie wurden bereits im vorigen Herbst angelegt. An oft noch schneebedeckten Zweigen öffnen sie sich im Sonnenschein und geben bei der geringsten Erschütterung Wolken von Blütenstaub von sich, der sich rasch in der Luft ausbreitet.

Die dicht gedrängte Anordnung der männlichen Blüten um eine gemeinsame Achse (eben die Kätzchenbildung) ist eine Anpassung des Haselstrauches an die Windbestäubung. Durch die leicht bewegliche Aufhängung der Kätzchen ist eine effektive Verbreitung der Pollen garantiert. Sie wird noch dadurch begünstigt, daß die Blätter erst nach der Bestäubung austreiben und daher den Pollen bei seinem Anflug auf weibliche Blüten nicht behindern.

Man hat berechnet, daß ein Haselnußstrauch jedes Jahr 500 Millionen Pollenkörner verstreut. Die Wahrscheinlichkeit, daß das winzige vom Wind getragene Pollenkorn auf die Narbe einer weiblichen Blüte trifft und diese befruchten kann, ist so gering, daß die Natur mit solch hohen Zahlen arbeiten muß, um den Bestand der Art zu sichern. Botaniker haben herausgefunden, daß sich in Europa während einer Vegetationsperiode auf einem Quadratzentimeter Erde im Durchschnitt 27 000 Pollenkörner der verschiedensten Arten niederlassen. Viele Allergiker bekommen diese Invasion jedes Jahr hautnah zu spüren. Die Phantasie, mit der die Natur den massenhaften Pollenflug organisiert, entwickelt sich auch, wenn es gilt, ihn wieder einzufangen. Die roten Narben der unscheinbaren weiblichen Haselblüten sind sternförmig ausgebreitet. Sie wirken mit ihren gespreizten Haaren wie Reusen, die den Blütenstaub aus der Luft kämmen. Freilich müssen sie dabei aus der Vielzahl der eingefangenen Körner eines ihrer eigenen Art herausfinden - ein Kunststück, das sie nur durch ihre ausgeprägte chemische Sensibilität zuwege bringen. Die Blütennarbe erkennt "ihren" Pollen an seiner unverwechselbaren "Duftnote".

Bis zum Herbst entwickeln sich aus den weiblichen Blüten die von Hochblättern umhüllten Haselnüsse. Sie werden durch Tiere verbreitet (Eichhörnchen, Haselmaus, Kleiber u. a.) und dienen ihnen zugleich als wertvolle Winterkost. Der hohe Fettgehalt der Reichtum an Vitaminen und Spurenelementen und der röstige Geschmack machen die Nüsse auch für den Menschen zu einer beliebten Beikost. Im Handel werden meist südeuropäische Haselnüsse angeboten. Es sind die Früche der mit unserer Hasel engverwandten Lamberts-Hasel und der Baum-Hasel. Eine heilende Wirkung der Nüsse bei Impotenz, wie sie die mittelalterliche Klosterfrau Hildegard von Bingen behauptete, wies die pharmazeutische Forschung bisher nicht nach. Daraufhin deutet vielleicht die Erweiterung der Blutgefäße, die ein Aufguß der jungen Blätter bewirkt. Eine traditionelle, ebenfalls umstrittene Nutzung der Hasel ist das Schneiden von Ruten für die Suche nach Wasseradern im Erdreich. Talentierte Rutengänger übezeugen durch ihren Erfolg, der Wissenschaft aber der Glaube an diese Art von Vermessung.

Die Hasel, ein lichtliebendes Birkengewächs, ist eines der ersten Gehölze, die Mitteleuropa nach der Eiszeit wiederbesiedelt haben. Im Gefolge von Birke und Kiefer baute sie schon 7000-8000 v. Chr. die Strauchsicht in den damals lichten Wäldern auf. Besonders Insekten sind ihr auf diesem Vormarsch nachgefolgt. Heute leben bis zu 70 Arten an ihr.

Was Tiere von den Früchten übrig lassen, kann der Mensch ernten. Dabei ist heute aber Vorsicht geboten: nach dem Unglück von Tschernobyl fand man in Haselnüssen besonders hohe radioaktive Strahlung.