Ein Eldorado für Schmetterlinge
Stadtökologischer Lehrpfad Bamberg (12.Station): Salbeiwiesen am Südhang der Altenburg

Im Gegensatz zu den Fettwiesen im unteren Teufelsgraben (14 Kräuter- und Grasarten) zeichnen sich die Wiesen am Südhang der Altenburg durch eine gewisse Nährstoffarmut aus. Das führt aber, anders als man vielleicht erwarten würde, nicht zu einer Minderung ihres ökologischen Wertes, sondern - im Gegenteil - zu beträchtlicher Artenvielfalt (39 Kräuter- und Grasarten). Während in Fettwiesen wenige konkurrenzstarke Arten wie Löwenzahn oder Kerbel massenhaft auftreten, sind magere Wiesen durch größeren Artenreichtum und geringere Häufigkeit der einzelnen Arten gekennzeichnet. Schon bei Station 5 des Lehrpfades wurde auf die Ursache hingewiesen: nicht Überfluß, sondern der Mangel war und ist die Triebfeder der Evolution. Gerade durch Knappheit an Ressourcen war das Florenreich (und natürlich auch die Fauna) dazu angetrieben, immer neue Formen hervorzubringen, um die knappen Güter bestmöglich und immer differenzierter zu nutzen. Die meisten Arten sind an Mangel daher besser angepaßt denn an den Überfluß einer flächendeckenden Düngung.

Eine auffällige Charakterart der Magerwiesen ist der blauviolett blühende Salbei, weshalb man sie auch nach ihm benennt. Dem Salbei sind häufig Wilde Möhre, Margerite und Glatthafer, ein hochwachsendes Gras, beigemischt. Ihre dauerhafte Existenz verdanken Magerwiesen der Tatsache, daß sie sich gewöhnlich in Hanglagen befinden, die für eine Ackernutzung zu steil sind, weshalb Umbruch und Düngung unterbleiben. Es wird dort üblicherweise nur ein- bis zweimal pro Jahr gemäht oder es findet Beweidung durch Schafe statt. Der Südhang der Altenburg wird von den Tieren des Schäfers König aus Oberharnsbach beweidet, dem einzigen verbliebenen Vertreter seiner Zunft im Stadtgebiet. Er läßt seine Schafe bis zu drei Mal im Jahr in Triftweide über die Wiesen ziehen, ohne sie dort zu pferchen. Dadurch bleibt garantiert, daß nicht zu viel Nährstoff eingetragen und damit die Pflanzendecke nicht auf wenige Arten vermindert wird. Inzwischen gibt es staatliche Förderprogramme für diese Art von Landschaftspflege, weil man ihren gesellschaftlichen und ökologischen Wert erkannt hat.

Ähnlich wie in Wald und Hecke gibt es auch in der Salbeiwiese sogenannte "Stockwerke", die von unterschiedlichen Tiergruppen genutzt werden: im Subterrain (unterirdisch) leben Regenwürmer und Mäuse, im Erdgeschoß (der Streu- und Bodenschicht) Laufkäfer, Ameisen und Eidechsen, im ersten Stock (der Blattregion) Heuschrecken, Zikaden und Spinnen, und im zweiten Stock (der Blütenregion) Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen.

Gerade für Schmetterlinge sind Salbeiwiesen ein wahres Eldorado. Von den 55 im Stadtgebiet vorkommenden Tagfalterarten leben allein 34 Arten auf den Salbeiwiesen am Südwesthang der Altenburg. Darunter befinden sich auch europaweit gefährdete Arten, wie der Schwarzblaue Ameisenbläuling, dessen Larven sich im Spätstadium von Ameisen mästen lassen. Daneben spielen die Wiesen durch ihre wärmebegünstigte Südlage insbesondere für Reptilien eine stadtweit bedeutsame Rolle: sie berherbergen eine der größten Zauneidechsen-Populationen von Bamberg.

Die skizzierte Vielfalt der Salbeiwiesen an Lebensformen ist landesweit gefährdet, selbst dort, wo - wie am Altenburghang - nicht unmittelbar gedüngt wird. Denn über die ganz normale Luft wird inzwischen soviel Stickstoff eingetragen, wie ein Bauer in den fünfziger Jahren als Volldüngung auf seinen Feldern ausgebracht hat, was zur schleichenden Veränderung der Böden und ihres Pflanzenkleides führt. Der Artenschwund bei den Blumen zieht natürlich sofort einen ebensolchen bei den Gilden der abhängigen Tiere und ihrer Räuber nach sich. Ganze Ökosysteme schrumpfen von ihrer Basis her. An diesem Beispiel läßt sich besonders gut demonstrieren, daß Flächenschutz zum Scheitern verurteilt ist, wenn nicht zugleich die Ressourcen Boden, Wasser und Luft gereinigt und sauber gehalten werden. Das schönste Naturschutzgebiet nützt nichts, wenn es unter einer Flut von Schadstoffen erstickt.