Der Aufstieg zur Altenburg
Stadtökologischer Lehrpfad Bamberg (9.Station)

Anders als die gleichförmigen Fichtenforste gliedert sich ein naturnaher Wald in verschiedene "Stockwerke". Aufgrund des Lichteinfalles, der bis zum Boden reicht, können dort Moose, Kräuter, Gräser und Sträucher unter der Baumschicht existieren. Die Baumschicht selbst gliedert sich günstigenfalls nochmals in Begleitarten wie Eberesche oder Hainbuche, die sich im Unterbau behaupten können, und den eigentlichen Hochwaldarten Eiche, Ahorn, Linde, Rotbuche oder Kiefer. Vergleichende Studien haben ergeben, daß der Artenreichtum eines Waldes und seine Widerstandskraft gegen Schädlinge, Schnee- und Windbruch umso größer ist, je reichhaltiger die "Stockwerke" entwickelt sind. Die strukturarmen, dunklen Fichtenbestände (auch "Altersklassenwälder" genannt, da alle Gehölze zur gleichen Zeit gesetzt wurden und daher gleich alt sind) schneiden denn auch in diesen Untersuchungen am schlechtesten ab. Sie sind aber nicht nur artenarm und haben durch die Winterorkane Vivian und Wiebke den größten Schaden erlitten, sondern verursachen zudem in kurzer Zeit eine beträchtliche Versauerung des Bodens, womit sie die allgegenwärtige Säureattacke aus der Luft noch verstärken.

Beim Aufstieg durch den Wald zur Altenburg fällt sofort auf, daß dort, wo sich aufgrund von Windbruch oder Altersschwäche einzelner Bäume Lücken im Bestand gebildet haben, die Bodenflora geradezu "explodiert". Da überzieht ein leuchtendgrüner Moosteppich die feuchteren Areale, schießen Kräuter wie Goldnessel und Springkraut hervor und wachsen in wenigen Jahren Holunderbüsche, Ebereschen und Haselsträucher meterhoch auf. Es ist, als hätten all diese Arten, als Saatgut oder Wurzelsproß in der humosen Erde ruhend, nur darauf gewartet, daß sich der Lichtraum über sie auftut und sie ihn erfüllen können mit ihrem arteigenen Leben. Baumpflanzungen sind hier völlig daneben: der Wald verjüngt sich ganz von selbst (es sei denn, es gibt zuviele Rehe, welche die Triebe verbeißen).

Ökologen und fortschrittliche Forstleute treiben den Umbau unserer Forste zum Mischwald voran. Für sie ist der Wald mehr als die Summe seiner Bäume. Sie haben ihn neu entdeckt: als komplexes Gefüge von Boden, Pflanzen und Tieren; als Lebensraum, der ausgleichend auf Niederschläge und Temperatur wirkt, der Wasser speichert, die Luft kühlt und reinigt, und der schließlich Heimat ist für eine Vielzahl von Arten. 1 ha Buchenwald erzeugt Sauerstoff für 100 Menschen, filtert jährlich die Staubmenge von 7000 Zementsäcken aus der Luft und speichert im Wurzelbereich an die zwei Millionen (!) Liter Wasser. In den mitteleuropäischen Buchenwäldern leben 4200 Pflanzen- und 6700 Tierarten. Dabei machen bei den Pflanzen die Pilze 80% der Artenfülle aus, bei den Tieren die Insekten einen ebenso hohen Anteil. In engem Zusammenspiel sorgt diese Vielfalt für die Stabilität des Lebensraumes. Jede Verarmung macht ihn anfälliger in "Krisenfällen", ein Faktum, das seine Parallele in Monopolisierungsprozessen unserer Energie- und Wasserwirtschaft findet.

Daß der Altenburger Wald zu den naturnahen Wäldern gehört zeigt schon die Tatsache, daß er als Biotop 47 in die Liste der 191 Stadtbiotope aufgenommen wurde. Er beherbergt 15 Baum-, 13 Strauch- und 19 Kräuterarten. Daneben wurden 11 Species von Schmetterlingen und 33 Vogelarten gefunden, u.a. die gefährdeten Arten Wendehals und Mittelspecht.

Gesunde Laubwälder sind von nicht mit Geld aufzuwiegendem Wert für die psychische Stabilität des Menschen: ein Spaziergang durch sie kann oft heilsamer sein als eine Packung Psychopharmaka. Ein Grund mehr, ernsthaft die schönfärberisch so benannten "neuartigen Waldschäden" (=Waldsterben) einzudämmen. Wir können kein Heil von einer Natur erwarten, die selber krank ist.

Gerade als Städter sollten wir aus der Erkenntnis der Zusammenhänge Konsequenzen für unser eigenes Verhalten ziehen, unsere "persönliche Schadstoffbilanz" verbessern und damit die Gesundung des Waldes fördern. Ein Spaziergang auf dem Stadtökologischen Lehrpfad - in Natur vor Ort - ist ein emissionsarmer Beitrag dazu.