Der Wald am Rübezahlweg
Stadtökologischer Lehrpfad Bamberg (8.Station)

29% des Bamberger Stadtgebietes werden von Wald eingenommen - für eine Stadt ein beträchtlicher Anteil, welcher der bayernweiten, auch landkreisbezogenen Bestandsquote von 34% recht nahekommt. Aufgrund der geologischen Verschiedenheit herrschen im Osten Bambergs Kiefernbestände vor (der Hauptsmoorwald stockt auf Sand), in den westlichen Wäldern, dem Michaelsberger Wald und dem Bruderwald, hingegen sind es auf lehmigen Böden artenreiche Mischbestände. Nahezu Laubwald pur findet man rund um die Altenburg. Durch ihn führt der Stadtökologische Lehrpfad mit 2 Stadtionen (8 und 9).

Der Altenburger Wald hat eine besondere Eigenart. In nicht wenigen Bereichen besteht er aus einem auffälligen Typus von Wald: dem Niederwald. Gerade im Bereich des Rübezahlweges fällt auf, daß viele Stämme gegabelt und die Laubbäume nicht allzu hoch sind. Das ist darauf zurückzuführen, daß offenbar zur Kriegszeit und nachher, als Brennstoffmangel herrschte, das Holz eingeschlagen wurde und dann aus dem Wurzelstock zwei oder mehrere Stämme neu ausschlugen. Diese Art der Nutzung ist uralt, aber nicht mehr allzu häufig zu finden (ein größerer Niederwaldbestand findet sich westlich des Mainufers zwischen Hallstadt und Baunach). Mit der Einführung der Kohle-, und später Öl- und Gasheizung war Holz als Brennstoff unbedeutend geworden, und die meisten Niederwaldbestände sind mittlerweile in Hochwald übergegangen. Aus ökologischer Sicht ist die Vereinheitlichung bedauerlich, da der Niederwald lichtdurchlässiger ist und eine weit üppigere Bodenflora ermöglicht als der geschlossene Hochwald, der nur sehr schattenverträglichen Arten wie Sauerklee oder Moosen Lebenschancen bietet.

An den Bäumen am Rübezahlweg fällt noch ein anderes Charakteristikum auf. Ihre Stämme sind über dem Wurzelstock gebogen. Dieses Phänomen beruht auf den schon in einer früheren Folge erwähnten Hangrutschungen: die Bäume bewegen sich mit der gequollenen, über Sandstein gleitenden Tonschicht hangabwärts, kippen je nach Neigung des Geländes mehr oder weniger stark ab und versuchen dann die Schräglage während des Höhenwachstumes wieder auszugleichen, wodurch der Stammbogen entsteht. Im Wald sind solche Ereignisse belanglos, auf Privatgrund haben sie - weil z.B. ein Obstbaum mit einer Rutschung über die Grundstücksgrenze gewandert ist - im Einzelfall schon zu erbitterten Streitigkeiten geführt, wem denn nun der "fremdgegangene" Baum gehöre.

Der Wald ist von allen heimischen Ökosystemen das komplizierteste. Er stellt in Mitteleuropa das "Endstadium" natürlicher Entwicklung dar, die Biotopart, auf die jedes Stück Land "hinwächst", bleibt es nur seiner eigenen Dynamik überlassen. Wie in jedem Ökosystem unterscheiden Biologen auch im Wald zwischen Produzenten (den Organismen, die "Biomasse" aufbauen, was im Wald hauptsächlich die Bäume sind), den Konsumenten (Pflanzen- und Tierfresser, zu denen beispielsweise die 33 Vogel- und die 11 Schmetterlingsarten im Gebiet des Altenburger Waldes gehören) und den Destruenten (Zersetzer abgestorbener Biomasse).

Alle drei Glieder bilden einen Nahrungskreislauf, in dem die Stoffe zirkulieren, welche die Organismen am Leben erhalten. Die oberirdische Hauptmasse machen dabei die Pflanzen aus. Ihr Massenverhältnis zu den Tieren beträgt im Buchenwald 99:1. Das heißt, daß nur ein Bruchteil der Pflanzenmasse durch tierische Mägen geht, der Großteil nach dem Laubfall aber direkt von Bodeninsekten, Regenwürmern und Mikroben zersetzt wird. Wie effektiv die wenig geliebten Zersetzer arbeiten, zeigt sich daran, daß ein Hektar Laubwald immerhin 4 Tonnen Streu in jedem Herbst produziert und daß dieser "Abfall" (im wahrsten Sinn des Wortes) für die Aufnahme durch die Pflanzen wiederaufbereitet werden muß. Die Natur, insbesondere die Mikrowelt des Bodens, schafft das ohne Freisetzung von irgendwelchen Schadstoffen. Jedes Endprodukt ist wiederum Ausgangsstoff für einen anderen Naturprozeß: die Endprodukte der Zersetzer sind Nährstoffe, welche die Pflanzen über die Wurzeln aufnehmen. Wenn wir jetzt darangehen, aus unserer eigenen Abfallwirtschaft ein Kreislaufwirtschaftssystem zu entwickeln, ahmen wir im Grunde nichts anderes nach als daß, was schon seit Jahrmillionen in der übrigen Lebenswelt geschieht. Für die meisten menschlichen Tätigkeiten gibt es Vorbilder in der Natur. Es sind Systeme, die sich über unvorstellbar lange Zeiträume bewährt haben und an denen wir uns daher häufiger orientieren könnten und sollten.