Der Wald am Rübezahlweg
Der Altenburger Wald hat eine besondere Eigenart. In nicht wenigen
Bereichen besteht er aus einem auffälligen Typus von Wald:
dem Niederwald. Gerade im Bereich des Rübezahlweges fällt
auf, daß viele Stämme gegabelt und die Laubbäume
nicht allzu hoch sind. Das ist darauf zurückzuführen,
daß offenbar zur Kriegszeit und nachher, als Brennstoffmangel
herrschte, das Holz eingeschlagen wurde und dann aus dem Wurzelstock
zwei oder mehrere Stämme neu ausschlugen. Diese Art der Nutzung
ist uralt, aber nicht mehr allzu häufig zu finden (ein größerer
Niederwaldbestand findet sich westlich des Mainufers zwischen
Hallstadt und Baunach). Mit der Einführung der Kohle-, und
später Öl- und Gasheizung war Holz als Brennstoff unbedeutend
geworden, und die meisten Niederwaldbestände sind mittlerweile
in Hochwald übergegangen. Aus ökologischer Sicht ist
die Vereinheitlichung bedauerlich, da der Niederwald lichtdurchlässiger
ist und eine weit üppigere Bodenflora ermöglicht als
der geschlossene Hochwald, der nur sehr schattenverträglichen
Arten wie Sauerklee oder Moosen Lebenschancen bietet.
An den Bäumen am Rübezahlweg fällt noch ein anderes
Charakteristikum auf. Ihre Stämme sind über dem Wurzelstock
gebogen. Dieses Phänomen beruht auf den schon in einer früheren
Folge erwähnten Hangrutschungen: die Bäume bewegen sich
mit der gequollenen, über Sandstein gleitenden Tonschicht
hangabwärts, kippen je nach Neigung des Geländes mehr
oder weniger stark ab und versuchen dann die Schräglage während
des Höhenwachstumes wieder auszugleichen, wodurch der Stammbogen
entsteht. Im Wald sind solche Ereignisse belanglos, auf Privatgrund
haben sie - weil z.B. ein Obstbaum mit einer Rutschung über
die Grundstücksgrenze gewandert ist - im Einzelfall schon
zu erbitterten Streitigkeiten geführt, wem denn nun der "fremdgegangene"
Baum gehöre.
Der Wald ist von allen heimischen Ökosystemen das komplizierteste.
Er stellt in Mitteleuropa das "Endstadium" natürlicher
Entwicklung dar, die Biotopart, auf die jedes Stück Land
"hinwächst", bleibt es nur seiner eigenen Dynamik
überlassen. Wie in jedem Ökosystem unterscheiden Biologen
auch im Wald zwischen Produzenten (den Organismen, die
"Biomasse" aufbauen, was im Wald hauptsächlich
die Bäume sind), den Konsumenten (Pflanzen- und Tierfresser,
zu denen beispielsweise die 33 Vogel- und die 11 Schmetterlingsarten
im Gebiet des Altenburger Waldes gehören) und den Destruenten
(Zersetzer abgestorbener Biomasse).
Alle drei Glieder bilden einen Nahrungskreislauf, in dem die Stoffe
zirkulieren, welche die Organismen am Leben erhalten. Die oberirdische
Hauptmasse machen dabei die Pflanzen aus. Ihr Massenverhältnis
zu den Tieren beträgt im Buchenwald 99:1. Das heißt,
daß nur ein Bruchteil der Pflanzenmasse durch tierische
Mägen geht, der Großteil nach dem Laubfall aber direkt
von Bodeninsekten, Regenwürmern und Mikroben zersetzt wird.
Wie effektiv die wenig geliebten Zersetzer arbeiten, zeigt sich
daran, daß ein Hektar Laubwald immerhin 4 Tonnen Streu in
jedem Herbst produziert und daß dieser "Abfall"
(im wahrsten Sinn des Wortes) für die Aufnahme durch die
Pflanzen wiederaufbereitet werden muß. Die Natur, insbesondere
die Mikrowelt des Bodens, schafft das ohne Freisetzung von irgendwelchen
Schadstoffen. Jedes Endprodukt ist wiederum Ausgangsstoff für
einen anderen Naturprozeß: die Endprodukte der Zersetzer
sind Nährstoffe, welche die Pflanzen über die Wurzeln
aufnehmen. Wenn wir jetzt darangehen, aus unserer eigenen Abfallwirtschaft
ein Kreislaufwirtschaftssystem zu entwickeln, ahmen wir im Grunde
nichts anderes nach als daß, was schon seit Jahrmillionen
in der übrigen Lebenswelt geschieht. Für die meisten
menschlichen Tätigkeiten gibt es Vorbilder in der Natur.
Es sind Systeme, die sich über unvorstellbar lange Zeiträume
bewährt haben und an denen wir uns daher häufiger orientieren
könnten und sollten.
Stadtökologischer Lehrpfad Bamberg (8.Station)
29% des Bamberger Stadtgebietes werden von Wald eingenommen -
für eine Stadt ein beträchtlicher Anteil, welcher der
bayernweiten, auch landkreisbezogenen Bestandsquote von 34% recht
nahekommt. Aufgrund der geologischen Verschiedenheit herrschen
im Osten Bambergs Kiefernbestände vor (der Hauptsmoorwald
stockt auf Sand), in den westlichen Wäldern, dem Michaelsberger
Wald und dem Bruderwald, hingegen sind es auf lehmigen Böden
artenreiche Mischbestände. Nahezu Laubwald pur findet man
rund um die Altenburg. Durch ihn führt der Stadtökologische
Lehrpfad mit 2 Stadtionen (8 und 9).