Selbst die Burgmauer "lebt"
Wenn man den Altenburger Wald verläßt und das Höhenplateau
erreicht, fallen linkerhand an der Mauer der Burg verschiedene
Gewächse auf: vor allem Moose und Flechten, aber auch eine
höhere Pflanzenart - das Zimbelkraut. Das aus dem
Mittelmeerraum stammende Kraut mit seinen kleinen, violetten Blüten
ist ein Spezialist ganz besonderer Art. Es benötigt für
die Verbreitung seiner Samen weder Wind, noch Vögel, noch
Insekten, sondern sorgt selbst dafür: nach der Befruchtung
wächst der Stengel vom Licht weg, auf eine Fuge in der Mauer
zu. Dort springt die Fruchtkapsel auf und setzt die Samen frei.
Das Zimbelkraut kommt daher immer in größeren
Beständen vor. Da die kleine Pflanze Schattenlage bevorzugt,
tritt sie an der besonnten Südmauer nicht auf, statt-dessen
aber die Mauerraute, ein kleiner, dunkelgrüner Farn,
der beim Abstieg zum Weinbergweg dort besichtigt werden kann.
Um den Turm der Altenburg fliegen im Sommer schwarze, taubengroße
Vögel, deren grauer Nacken erkennbar ist, wenn sie sich nähern.
Es sind Dohlen, die als kleine Kolonie am Turm brüten.
Unter dem Kamindach der E.T.A.-Hoffmann-Klause kann man mit ein
wenig Glück tagsüber außerdem einen ruhenden Waldkauz
beobachten, der seinerseits, fast unbewegt, auf die vorübergehenden
Burgbesucher herabblickt.
Wie an der Burgmauer wachsen auch an den Brüstungen der Aussichtsplattformen
graue, gelbliche und grüne Krustenflechten. Flechten sind
Doppelwesen aus Algen und Pilzen. Sie leben in Symbiose, wobei
der Pilz als Fadengeflecht die Algen umspinnt. Da einige Flechtenarten
stark auf Schadstoffe reagieren, kann man sie als Meßsysteme
für Belastungen der Luft heranziehen. Auf der Burg gedeihen,
verglichen mit Sandsteinmauern der Innenstadt, die Flechten recht
gut.
Die Rundsicht von den Plattformen erschließt einem sämtliche
Landschaften der Gegend: im Norden die Haßberge mit dem
Kraiberg und das Hügelland um Itz und Baunach, im Osten der
Höhenzug des Jura, davor der auf eiszeitlichen Flugsanden
(echte Dünen!) stockende und daher gen Osten leicht ansteigende
Hauptsmoorwald, und im Süden das Regnitztal, der Bruderwald
und die Ackerflur, die sich vom Babenberger Viertel über
Wildensorg bis hinüber zum Aurachgrund zieht. Unmittelbar
fällt der Waldreichtum der Stadt in das Auge, aber auch die
"Ausgeräumtheit" einiger Stadtgebiete, wie eben
die Flur zwischen Klinikum und Waizendorf. Heute versucht man
durch Neuanpflanzungen von Hecken, Streuobstwiesen und Feldge-hölzen
solche kahlen Ackersteppen zu renaturieren. Gute Beispiele gibt
es in unmittelbarer Nähe am Südhang der Altenburg, der
einstmals Weinberg, dann Obstgarten war und heute ein Gemisch
verschiedenster naturnaher Nutzungen ist: eine strukturreiche
Kulturlandschaft, die trotz Bewirtschaftung vielen Pflanzen- und
Tierarten Lebensraum bietet.
Im modernen Naturschutz kommt es nicht, wie oft unnötig zugespitzt
formuliert wird, auf die Alternative Nutzung "ja" oder
"nein" an, sondern darauf, wie genutzt wird.
In einem der dichtest besiedelten Länder der Welt wird es
große, menschenfreie Schutz-gebiete kaum geben können.
Umso mehr Bedeutung kommt der Anstrengung zu, auf der gesamten
Landesfläche (sozusagen mitten unter uns) Naturschutz zu
betreiben und allerorts in möglichster Eintracht mit Pflanzen
und Tieren zu leben. Viele Arten sind recht anpassungsfähig,
wie Bruten von Blaukehlchen an stark befahrenen Straßen
oder die Wiederkehr des Biber an die verbauten Flüsse zeigen.
Wenn das für Großtierarten auch nicht gilt, so dürfte
dennoch der behutsame Umgang mit Natur und die Berücksichtigung
ökologischer Kenntnisse, die gerade in den letzten Jahrzehnten
enorm gewachsen sind, die Artenvielfalt aus der Talsohle der 70er
und 80er Jahre retten. Das wäre tatsächlich eine lohnende
Aufgabe für die Jahrtausendwende.
Stadtökologischer Lehrpfad Bamberg
(10.Station): Altenburg
Mit 385 Metern liegt die Altenburg am höchsten Punkt der
Stadt. Wer dem Lehrpfad von Anfang an (St. Michael) gefolgt ist,
hat bis zur Burg genau 100 Höhenmeter überwunden. Wie
am Michaelsberg befindet man sich wiederum auf Sandstein, allerdings
dem einer jüngeren geologischen Epoche. Die beiden Bodenschichten,
die man in kaum mehr als einer Stunde Abstand betritt, trennt
hinsichtlich ihrer Entstehung immerhin eine Zeitdauer von 20-30
Millionen Jahren.