Selbst die Burgmauer "lebt"
Stadtökologischer Lehrpfad Bamberg (10.Station): Altenburg

Mit 385 Metern liegt die Altenburg am höchsten Punkt der Stadt. Wer dem Lehrpfad von Anfang an (St. Michael) gefolgt ist, hat bis zur Burg genau 100 Höhenmeter überwunden. Wie am Michaelsberg befindet man sich wiederum auf Sandstein, allerdings dem einer jüngeren geologischen Epoche. Die beiden Bodenschichten, die man in kaum mehr als einer Stunde Abstand betritt, trennt hinsichtlich ihrer Entstehung immerhin eine Zeitdauer von 20-30 Millionen Jahren.

Wenn man den Altenburger Wald verläßt und das Höhenplateau erreicht, fallen linkerhand an der Mauer der Burg verschiedene Gewächse auf: vor allem Moose und Flechten, aber auch eine höhere Pflanzenart - das Zimbelkraut. Das aus dem Mittelmeerraum stammende Kraut mit seinen kleinen, violetten Blüten ist ein Spezialist ganz besonderer Art. Es benötigt für die Verbreitung seiner Samen weder Wind, noch Vögel, noch Insekten, sondern sorgt selbst dafür: nach der Befruchtung wächst der Stengel vom Licht weg, auf eine Fuge in der Mauer zu. Dort springt die Fruchtkapsel auf und setzt die Samen frei. Das Zimbelkraut kommt daher immer in größeren Beständen vor. Da die kleine Pflanze Schattenlage bevorzugt, tritt sie an der besonnten Südmauer nicht auf, statt-dessen aber die Mauerraute, ein kleiner, dunkelgrüner Farn, der beim Abstieg zum Weinbergweg dort besichtigt werden kann.

Um den Turm der Altenburg fliegen im Sommer schwarze, taubengroße Vögel, deren grauer Nacken erkennbar ist, wenn sie sich nähern. Es sind Dohlen, die als kleine Kolonie am Turm brüten. Unter dem Kamindach der E.T.A.-Hoffmann-Klause kann man mit ein wenig Glück tagsüber außerdem einen ruhenden Waldkauz beobachten, der seinerseits, fast unbewegt, auf die vorübergehenden Burgbesucher herabblickt.

Wie an der Burgmauer wachsen auch an den Brüstungen der Aussichtsplattformen graue, gelbliche und grüne Krustenflechten. Flechten sind Doppelwesen aus Algen und Pilzen. Sie leben in Symbiose, wobei der Pilz als Fadengeflecht die Algen umspinnt. Da einige Flechtenarten stark auf Schadstoffe reagieren, kann man sie als Meßsysteme für Belastungen der Luft heranziehen. Auf der Burg gedeihen, verglichen mit Sandsteinmauern der Innenstadt, die Flechten recht gut.

Die Rundsicht von den Plattformen erschließt einem sämtliche Landschaften der Gegend: im Norden die Haßberge mit dem Kraiberg und das Hügelland um Itz und Baunach, im Osten der Höhenzug des Jura, davor der auf eiszeitlichen Flugsanden (echte Dünen!) stockende und daher gen Osten leicht ansteigende Hauptsmoorwald, und im Süden das Regnitztal, der Bruderwald und die Ackerflur, die sich vom Babenberger Viertel über Wildensorg bis hinüber zum Aurachgrund zieht. Unmittelbar fällt der Waldreichtum der Stadt in das Auge, aber auch die "Ausgeräumtheit" einiger Stadtgebiete, wie eben die Flur zwischen Klinikum und Waizendorf. Heute versucht man durch Neuanpflanzungen von Hecken, Streuobstwiesen und Feldge-hölzen solche kahlen Ackersteppen zu renaturieren. Gute Beispiele gibt es in unmittelbarer Nähe am Südhang der Altenburg, der einstmals Weinberg, dann Obstgarten war und heute ein Gemisch verschiedenster naturnaher Nutzungen ist: eine strukturreiche Kulturlandschaft, die trotz Bewirtschaftung vielen Pflanzen- und Tierarten Lebensraum bietet.

Im modernen Naturschutz kommt es nicht, wie oft unnötig zugespitzt formuliert wird, auf die Alternative Nutzung "ja" oder "nein" an, sondern darauf, wie genutzt wird. In einem der dichtest besiedelten Länder der Welt wird es große, menschenfreie Schutz-gebiete kaum geben können. Umso mehr Bedeutung kommt der Anstrengung zu, auf der gesamten Landesfläche (sozusagen mitten unter uns) Naturschutz zu betreiben und allerorts in möglichster Eintracht mit Pflanzen und Tieren zu leben. Viele Arten sind recht anpassungsfähig, wie Bruten von Blaukehlchen an stark befahrenen Straßen oder die Wiederkehr des Biber an die verbauten Flüsse zeigen. Wenn das für Großtierarten auch nicht gilt, so dürfte dennoch der behutsame Umgang mit Natur und die Berücksichtigung ökologischer Kenntnisse, die gerade in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen sind, die Artenvielfalt aus der Talsohle der 70er und 80er Jahre retten. Das wäre tatsächlich eine lohnende Aufgabe für die Jahrtausendwende.