Wahre "Wälder unter Wasser"
Lebensräume in Franken (6.Folge): Weiher und Teiche

Weiher und Teiche sind "kleine Seen ohne Tiefe", wie es 1901 der Gewässerforscher Forel treffend formulierte. Ihnen fehlt die dunkle Tiefenzone der großen voralpinen und norddeutschen Seen. Da sie selten tiefer als zwei Meter sind, werden sie - je nach Trübung mehr oder weniger stark - bis an ihren Grund von Sonnenlicht durchflutet, so daß, anders als beim See, in ihrem gesamten Wasserkörper Pflanzen gedeihen können.

Während Weiher natürlich entstanden sind, z.B. als Reste verlandender Seen oder am Rand von Mooren, sind Teiche vom Menschen angelegt und dienen der Fischzucht. Ein Unterschied besteht auch in der Wasserführung: Weiher fallen selten trocken, Teiche hingegen werden in der Regel im Spätherbst abgelassen und im Frühjahr neu "bespannt". Durch das Ablassen des Wassers soll der Sauerstoffeintrag in den Boden verbessert und übermäßige Faulschlammbildung verhindert werden. Zudem sterben Wasserschnecken ab, die als Zwischenwirte unliebsamer Fischparasiten fungieren.

Aber nicht nur für Schädlinge, sondern leider auch für nützliche Tiere erweist sich der herbstliche Wasserabzug als Katastrophe. Frösche überwintern üblicherweise im Schlammgrund des Teiches. Sie fallen in Kältestarre und atmen nur noch über die Haut. So können sie Temperaturen bis nahe an den Gefrierpunkt überleben. Muscheln haben eine andere Strategie entwickelt. Sie lagern Glykol - ein auch für Autokühler benutztes Frostschutzmittel - in ihr Fleisch ein, um den Gefrierpunkt abzusenken. Das geht gut, solange Muscheln und Frösche im Wasser liegen. Fällt der Teichgrund hingegen trocken, bilden sich Risse in der meist tonigen Erde und das tödliche Eis dringt dann tief in den Boden ein.

Eine Untersuchung des Landesamtes für Umweltschutz (1983) an einem ehemaligen Karpfenteich zeigte, daß bei stetiger Wasserführung über das ganze Jahr die Zahl der Libellenarten von 9 auf 29 stieg. Auch die Pflanzenwelt ist reicher, wenn der Teich nicht abgelassen wird; sie ähnelt dann der von Weihern. Im sanften Wellenschlag schwanken die untergetauchten und fedrigen Sprosse der Tausendblätter, und die Laichkräuter schicken ihre Blätter in Spiralen zum lebenspendenden Licht hoch. Sie wurzeln im Bodenschlamm und bilden wahre "Wälder unter Wasser". Darüberhinweg schwimmen, auf ihren großen Blättern gebettet, die Blüten von Teich- und Seerosen wie farbige Wolken. Zum Ufer hin, wo es flacher wird, drängen sich die Röhrichtgewächse: Rohrkolben, Binsen und Schilf. Können sie ungestört wachsen, umgeben sie den Wasserspiegel wie ein grüner Rahmen. Weiter landwärts schließlich folgen die Sumpfpflanzen, die Horste der Sauergräser und mit ein wenig Glück auch Schwertlilien.

Jede dieser Pflanzen hat im Lauf der langen Naturgeschichte ihre "ökologische Nische" gefunden, ihren ganz besonderen, konkurrenzarmen Lebensbereich. Durch arttypische "Tricks" vermag sie sich dort zu behaupten. So kann beispielsweise das Tausendblatt mit seinen dünnen, fein zerteilten Blättern die Nährstoffe direkt aus dem Wasser aufnehmen und dadurch der Konkurrenz anderer bodenwurzelnder Teichpflanzen entgehen. Eine andere erstaunliche Erfindung ist die "Luftpumpe" der Teich- und Seerosen. Die Rosen des Wassers gleichen den Sauerstoffmangel im Bodenschlamm dadurch aus, daß sie über spezielle Leitungsbahnen bis zu 20 Liter Luft am Tag in die Wurzeln pumpen können. Die Technik des Menschen erweist sich nicht nur hier als Abbild und Nachahmung der Natur,

Die erwähnte Aufeinanderfolge bestimmter Pflanzengruppen (von den Unterwassergewächsen bis zu den Sumpfpflanzen im feuchten Hinterland der Ufer) ist typisch für die Biotope Weiher und Teich. Man bezeichnet sie als Zonierung.

In Franken gibt es allerdings nur noch wenige Stillgewässer, wo alle genannten Zonen vorkommen. So fehlten nach einer Untersuchung der Regierung von Oberfranken (1984) an 4824 stehenden Gewässern im Bezirk bei 75% die Unterwasserflora, bei 60% die Schwimmblattpflanzen und bei 30% die Röhrichte. Teiche mit gut entwickelter Vegetation gelten mittlerweile als Mangelbiotope.

Dabei könnten sie, richtig bewirtschaftet, die von Natur aus bestehende Armut an Weihern in diesem Gebiet durchaus wettmachen.

Die "Rote Liste Oberfranken" (1988) gibt an, daß mehr als die Hälfte der Pflanzenarten der Weiher und Teiche in ihrem Bestand gefährdet sind.

Das wirkt sich direkt und dramatisch auf die Tierwelt aus. Rohrsänger brauchen Schilf für ihren Nestbau, Libellen suchen Wasserpflanzen für die Eiablage auf und Froschlarven müssen sich vor hungrigen Fischmäulern verstecken. Sage und schreibe 8000 Tierarten fanden Ökologen in den Kleingewässern Mitteleuropas! Ein Großteil von ihnen ist auf die "Wälder unter Wasser" als Lebensbasis angewiesen.

Aus dieser Erkenntnis heraus hat der Bayerische Staat ein Programm zur Förderung einer naturnahen Teichwirtschaft gestartet. Verzichtet der Teichwirt auf Chemie, Dünger, Totalentlandungen und höchstmöglichen Fischbesatz und duldet er ein gewisses Maß an Wasser- und Röhrichtvegetation, so wird eine schonende Bewirtschaftung mit staatlichen Zuschüssen honoriert. Sicherlich ein Fortschritt, aber denkwürdig bleibt doch, daß hier belohnt wird, wer Natur nicht zerstört. Es ist immer noch der Ausnahmefall.