Der blühende Ring
Es begann - wie so vieles - bei den Römern: sie waren die
ersten, die in nennenswertem Umfang Obstbäume anbauten. Sie
veredelten die Wildformen von Apfel und Birne und pflanzten sie
in der Nähe ihrer Siedlungen. Die Wildpflanzen wuchsen ursprünglich
auf Lichtungen oder an sonnigen Waldrändern, die zur Jungsteinzeit
allerdings noch selten waren. Damals, vor 5000 Jahren, war Deutschland
ein dunkles, sumpfiges Waldland. Erst im Mittelalter, als die
Wälder sich lichteten und die Fluren offener wurden, breiteten
sich Obstbäume, zuerst in den Klostergärten, aus. Nicht
nur die Allmendeflächen, auch Weg- und Straßenränder
wurden mit Hochstammobst bepflanzt. Im 19.Jhd. erreichte der Streuobstanbau
in Bayern seinen Gipfel. Zu dieser Zeit umgaben Apfel- und Birnbäume
die Dörfer wie blühende Ringe, die Schatten für
das weidende Vieh spendeten und eine willkommene Zusatzkost, besonders
in Notzeiten, lieferten. Nach dem Krieg wendete sich das Blatt.
Wo früher Obstbäume die Dörfer umringten, griffen
jetzt Baugebiete immer weiter in die freie Landschaft aus. Flurbereinigungen,
Straßenbau und die intensive Landwirtschaft normierten Felder
und Wiesen. Die rückläufige Rentabilität alter
Hochstämme besorgte den Rest. Niederwüchsige Plantagen
haben sie vielerorts längst abgelöst. Bis in die 70er
Jahre zahlten Landwirtschaftsämter gar Kopfprämien für
jeden abgeschlagenen Baum. Der Obstmarkt sollte vereinheitlicht
werden. Statt der 800 Handelssorten im Jahr 1840 gab es 140 Jahre
später nur noch 70 Apfelsorten auf dem Markt. Heute sind
dünnhäutige, kaum haltbare Äpfel in Mode, hormonbehandelt
und schöngespritzt, aus Monokulturen in Italien, Südafrika
und Argentinien. Der rapide Rückgang des Streuobstes (40%
in den letzten 25 Jahren) hat nicht nur Naturbewußte inzwischen
auf den Plan gerufen: die Zeit, wo ein Apfelbaum noch groß
und alt werden durfte und ein Apfel volles Aroma hatte, soll nicht
vergessen sein. Viele Verbände und Naturfreunde, aber auch
der Staat mit seinen attraktiven Förderprogrammen, suchen
mittlerweile den geschmacklichen und ökologischen Wert alter
Obstbäume neu zu fassen.
Und dieser Wert ist unter Biologen unumstritten. An einem Apfelbaum
leben bis zu 1000 Tierarten! Die Individuendichte pro Stamm kann
die ungeheure Zahl von 18.000 erreichen. Auf einem Quadratmeter
Boden unter einem Apfelbaum wurden schon 8.000 Insekten gezählt.
Das ist wimmelndes Leben, wie man es in solcher Dichte selten
findet. Vögel sind hier reich bedient: für bedrohte
Arten wie Ortolan und Wendehals stellen Obstbestände letzte
Rückzugsgebiete in den ausgeräumten Fluren dar. Alte
Bäume oder tote Stümpfe bieten begehrte Brutplätze
für den Steinkauz. Der überwältigende Blütenreichtum
von Apfel und Birne versorgt die Bienen reichlich mit Pollen.
Und schließlich ist das Fallobst im Herbst eine beliebte
Zukost für heimische Überwinterer. Die Liste der Arten
ist schier endlos.
Wer heute in einen Apfel beißt, sollte nicht gleich in jeden
beißen. Es lohnt sich zu wissen, woher er kommt: einheimisches
Obst von fränkischen Hochstammwiesen ist ungleich gesünder
als gespritzte Importe. Und sein Verzehr hilft, vor Ort eine reichhaltige
Lebewelt für Tier und Pflanze zu bewahren.
Lebensräume in Franken (2.Folge): die Streuobstwiesen
der Fränkischen Alb