Sinnbild von Schutz und Geborgenheit
Weißdorn, Schlehe, Roter Hartriegel, Wildrose - die Sträucher,
die heute unsere Hecken bilden, wuchsen einst, als Deutschland
noch Germanien hieß und ein Waldland war, nur auf Lichtungen
oder säumten die wenigen Waldränder, wie es sie beispielsweise
an Seen oder Flüssen gab. Erst mit dem Beginn des Ackerbaues
und vor allem seit der Rodung der Urwälder im Mittelalter,
taten sich ihnen neue Lebensräume auf: dort, wo die Bauern
am Rande ihrer Felder die Steine ablegten, fanden lichtliebende
Sträucher besonders geeignete Biotope. Noch heute herrschen
Crataegus-Arten (Weißdorn) und Prunus spinosa (Schlehe)
in fränkischen Lesesteinhecken vor.
In den wenigen Fluren, die unversehrt von der Bereinigung durch
die moderne "Agrarindustrie" geblieben sind, bilden
Hecken netzartig verbundene Grünzüge. Darin sind Äcker
und Wiesen in buntem Wechsel eingebettet. Da ihr Ursprung der
Waldrand ist und sie häufig von dort in die freie Landschaft
hinausführen, werden Hecken gelegentlich als "Finger
des Waldes" bezeichnet; oder auch als "doppelter Waldrand":
anders als dieser liegen Hecken nicht im Schatten von Bäumen
und grenzen "doppelt" an die offene Flur, sodaß
sich in ihrem Bereich ein eigenes, typisches Mikroklima entwickelt.
Das wiederum schafft ganz spezifische Lebensbedingungen.
Hecken zählen zu den sogenannten Grenzbiotopen. Das sind
Lebensräume, in denen die Arten verschiedener Biotoptypen
aufeinandertreffen und sich zu besonders reichen Gemeinschaften
verbinden. Im Fall der Hecken sind dies Arten von Wald und Wiese
bzw. Acker.
So fanden Bayreuther Biologen zwischen 1977 und 1981 an oberfränkischen
Hecken auf 17km Länge 68 Vogelarten, die dort brüteten
oder Nahrung fanden. Untersuchungen an Hecken in England (1967)
ergaben auf 900 laufenden Heckenmetern 45 Vogelpaare aus 19 Arten
- Ergebnisse, die für sich sprechen und belegen, wie wichtig
der Erhalt von Hecken in der freien Landschaft und als lebende
Zäune in unseren Städten und Dörfern ist. Voraussetzung
dafür: eine Hecke muß auch wirklich eine Hecke sein.
Sie sollte mindestens 4m Breite messen, auf der Sonnen- wie Schattenseite
einen 1-2m breiten Wildkräutersaum vorgelagert haben, aus
heimischen, stadortgetreuen Gehölzen in guter Mischung zusammengesetzt
sein. Die Anbindung an ein anderes Biotop, z.B. einen Teich oder
Wald, erhöht ihren ökologischen Wert als Wanderweg für
Arten, die sich nur in Deckung ausbreiten können.
Die Wissenschaftler machten noch eine andere Entdeckung, die vor
allem für Flurbereiniger und Dorferneuerer interessant sein
dürfte: Wege, die beidseitig von Hecken gesäumt sind,
beherbergen nicht nur doppelt, sondern gleich 3-4mal soviele Vogelpaare
(90-120 je km Hecke) wie einseitig bestandene - ein Grund, sich
erneut Gedanken über das sogenannte "Begleitgrün"
an Wegen zu machen. Die einstigen Hohlwege - wahre Laubtunnel
- wären hier beste Vorbilder.
Das Verbundsystem fränkischer Heckenriegel ist als Idealbild
einer vom Menschen geschaffenen und dennoch naturnahen Landschaft
in die ökologische Diskussion eingegangen. Es stand Pate
bei der Entwicklung von Konzepten zur landesweiten Vernetzung
von Biotopen, die bisher aber erst in scheuen Ansätzen verwirklicht
sind.
Hecken geben ein Beispiel dafür, daß menschliche Eingriffe
in die Natur nicht zwangsläufig zur Artenverarmung führen
müssen. Im Gegenteil: durch eine intelligente, ökologisch
ausgerichtete Wirtschaft könnten wir unserer heimischen Natur
sogar über das althergebrachte Maß hinaus bereichern!
So hat schon der kleinflächige Landbau unserer Ahnen zu einer
enormen Artenanreicherung in Mitteleuropa geführt. Mit der
Öffnung der Wälder konnten Pflanzen und Tiere aus den
Steppengebieten Südosteuropas und Vorderasiens nach Mitteleuropa
einwandern und hier neue Lebensstätten finden. In ähnlicher
Weise wäre es möglich, heutzutage unter Anwendung aller
ökologischen Kenntnisse und menschlicher Sympathie ein grünes
Netz des Lebens über Mitteleuropa auszuspannen, in dem noch
nie soviele Arten wie bisher nebeneinander existierten. Vielleicht
wäre das ein Schritt zur - wie Paulus schreibt - "Erlösung
der geschundenen, seufzenden Kreatur", ein Schritt zur Verwirklichung
des immerwährenden, menschlichen Traumes vom Paradiesgarten.
Die Hecken - Sinnbild von Schutz und Geborgenheit - wären
ein wichtiger Teil.
Lebensräume in Franken (4.Folge): die Hecken,
"Finger des Waldes"