Es gibt keinen Sieg über die Natur
Lebensraüme in Franken: Resümee und Ausblick

Am Anfang dieser Serie über "Lebensräume in Franken" stand die ungelöste Frage an die Zukunft: würde es sich bei den 12 selten gewordenen heimischen Biotoptypen, die im Fränkischen Sonntag vorgestellt werden sollten, um die letzten Reste sterbender Landschaften oder um Keime einer Wiederbelebung unserer Heimat handeln?

Ein Jahr später, nach dem Ablauf der Serie, ist die Antwort darauf nicht weniger ungewiß. Die gewaltigen nationalen und weltpolitischen Umbrüche haben den Naturschutz an den Rand des gesellschaftlichen Bewußtseins gedrängt. Die alten Weinberge, Magerrasen und Streuobstwiesen Frankens scheinen eigenartig friedlich in einer Welt dazuliegen, die - vom Krieg heimgesucht und von Umweltkatastrophen aufgestört - am Ende des Jahrtausends in apokalyptische Ängste zu verfallen droht.

Der weltumspannende Blickhorizont des modernen Menschen läßt keine Lokalpatriotismen mehr zu. Die Technik hat Zeit und Raum geöffnet und was in der Ferne geschieht, ist uns plötzlich bedrohlich nahe. Was aber nahe ist, verschwindet unglücklicherweise oft unbemerkt im übermäßigen f(F)ern-sehen. Wie anders wäre es zu erklären, daß der Krieg, den wir seit Jahrzehnten gegen die heimische Natur führen - trotz vielfach demonstrierter Friedensliebe - sich nur äußerst zäh und mühsam einem Waffenstillstand nähert? Daß wir zwar kopfschüttelnd, aber immerhin duldsam zusehen, daß für die Hälfte unserer Pflanzen- und Tierarten die Gefahr des Aussterbens Tag für Tag steigt? Daß die Landschaft leerer und leerer wird? Daß unsere nächste Umwelt, in der wir leben, lieben und arbeiten, immer häßlicher, lauter und lebloser wird?

Konrad Lorenz sagte einmal: "Wenn wir die Natur besiegt haben, werden wir uns auf der Verliererseite wiederfinden". Dieser Spruch des berühmten Verhaltensforschers offenbart die ganze Gespaltenheit unserer Fortschrittsbemühungen. Es kann keinen Sieg über die Natur geben, sondern nur einen Friedensvertrag mit ihr. Und dieser Vertrag muß von jedem Einzelnen unterschrieben werden. Denn das "globale Denken", wie es die Medien fördern, darf keineswegs vom "lokalen Handeln" entbinden.

Der Schutz fränkischer Biotope, ihre Renaturierung und letztlich die Schaffung einer Umwelt, die auf gesamter Bezirksfläche die Natur freundschaftlich einbezieht, ist ein wichtiger Beitrag zum globalen Naturschutz. Der Landwirt, der auf Pestizide und Überdüngung verzichtet, der Gartenbesitzer, der heimische Bäume und Sträucher pflanzt und seine Wiese sich voll entfalten läßt, der Unternehmer, der Biotope in sein Firmengelände integriert und die Kommune, die sorgsam mit der ihr anvertrauten Natur umgeht, sind die Garanten einer lebenswerten Zukunft.

Derjenige, der seine Angst angesichts der "ökologischen Krise" nicht verdrängt oder in Panik ausarten, sondern sich von ihr zur aufrichtigen Selbstbesinnung führen läßt, wird dieser Krise zweifelsohne einen Sinn abgewinnen und ihre tieferen Ursachen verstehen. Er wird den gegenwärtig siechen Zustand der uns umgebenden Natur bald als untrüglichen Spiegel des Geisteszustandes unserer Kultur begreifen - eine freilich zunächst nicht sehr schmeichelhafte Einsicht, aber doch die Voraussetzung dafür, daß er wirklich etwas verändern kann.

Die menschliche Psyche kann sich nur mühsam selbst beobachten. Sie erkennt und formt sich eher aufgrund der Reaktionen der Mitmenschen (Kritik, Lob) oder des eigenen Körpers (Krankheit, Gesundheit). Ebenso wird der moderne Mensch erst aufgrund der heftigen und für ihn zerstörerischen Reaktionen der Natur etwas über die Entgleisung seines eigenen Wesens erfahren und in einem bisweilen schmerzvollen Prozeß der Selbsterkenntnis zu seinen eigentlichen Bedürfnissen zurückfinden.

Das dürfte keine Strafe Gottes sein, sondern die bittere Frucht, deren Samen er selbst gelegt hat. Wie bitter sie sein wird, hängt noch von uns ab.

Wohl erst unsere Nachkommen werden erkennen, auf wie tiefgründige Weise unser Innenleben mit der sichtbaren Natur verknüpft ist. Aber heute schon können wir sehen, daß Gier und bloßes Machtstreben nicht nur die eigene Lebensfreude, sondern auch die der Mitgeschöpfe erheblich beschneidet.

Die Geschichte hat sich als ein ständiger Kampf der Befreiung erwiesen. Und so wie sich Sklaven, Bauern, Frauen befreien mußten und müssen, so wird sich auch die Natur aus der Diktatur unserer Zivilisation befreien müssen. Dieser Kampf wird erst aufhören, wenn die "Herr"schaft aufhört und Gemeinschaft entsteht. Dann werden auch wir freier sein.

Der Vater der Naturwissenschaften, Francis Bacon, durchaus kein Romantiker, sondern kompromißloser Verfechter der Aufklärung, hatte sich wenigstens in dieser Hinsicht keinen Illusionen hingegeben, als er feststellte: "Wer die Natur beherrschen will, muß ihr gehorchen". Er war sich bewußt, daß die Natur letztlich stärker ist als der Mensch. Denn sie hat eine Waffe, gegen die er machtlos ist: den Tod.

Biotope könnten in diesem ganzheitlichen Sinn eine Erinnerung der Lebendigkeit sein, die überall sein würde, wo der Mensch seine Macht mit Sympathie für Pflanzen und Tiere paart.