Der blauen Himmelsleiter eine Chance
In der "Roten Liste für Oberfranken", die gefährdete
Pflanzen und Lebensräume unserer Heimat ausweist, gelten
sie als ausgesprochene Mangelbiotope: die Feuchtgebiete - Naßwiesen,
Hochstaudenfluren, Röhrichte, Segggensümpfe und Moore
jeder Art. Diese vom Element Wasser geprägten Lebensräume
nehmen z.B. im Regierungsbezirk Oberfranken nur noch eine Fläche
von 0.2% ein! Über die Hälfte der auf feuchte Biotope
angewiesenen Pflanzen sind in ihrem Bestand ernsthaft gefährdet,
beispielsweise Stauden mit so lyrisch klingenden Namen wie die
Gelbe Wiesenraute oder die Blaue Himmelsleiter.
Allerorts sind Feuchtgebiete durch Entwässerungsmaßnahmen
bedroht. Als böser Bube wird einmal mehr die Landwirtschaft
benannt, die ständig neues Land urbar machte, obwohl die
Scheunen bereits voll waren. Die Agrokultur erscheint allerdings
insofern nur bedingt schuldfähig, als sie selbst zum Opfer
der unerbittlichen Gesetze unserer Marktwirtschaft geworden ist.
Die landesweite Gefährdung der Feuchtgebiete hat den Gesetzgeber
auf den Plan gerufen: er hat nolens volens den berühmt-berüchtigten
Artikel 6d in das Bayer. Naturschutzgesetz eingefügt. Berühmt,
weil dieser Artikel einen pauschalen Schutz für feuchte Biotope
darstellt und "bahnbrechend" für den Naturschutz
gewirkt hat, und berüchtigt, weil er bei so manchen Bauvorhaben
im Zentrum des erbitterten Konfliktes zwischen Naturnutzern und
Naturschützern steht.
Im Behördenjargon haben sich die feuchten Areale voll wimmelnden
Lebens denn auch mittlerweile zu den etwas blutleer akzentuierten
"6d-Flächen" gewandelt. Nichtsdestotrotz ist ein
Besuch an solcher Stätte ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus.
Da flöten die hurtigen Rohrsänger zwischen den Schilfhalmen,
flattern poppige Falter über den Blütenständen
der Hochstauden dahin und funkeln die gelben Blüten der Schwertlilie
wie kleine Sonnen.
Freilich hatten und haben diese Biotope ihre zwei Gesichter wie
alles in der Natur. Denn an so manchem heißen Sommertag
steigt unangenehme klebrige Schwüle aus ihnen empor und allerhand
stechende Insekten fallen in der Dämmerung über den
arglosen Spaziergänger her. In den fränkischen Weihergebieten
gab es noch bis kurz vor der Jahrhundertwende Malaria! Und häufig
litt man unter den naßkalten Lebensbedingungen in der Nähe
von Mooren, Sümpfen und Röhrichten, welche die Anfälligkeit
gegen Krankheiten steigerten.
So ist es verständlich, daß die Trockenlegung des Landes
von vielen Mündern als grandioser Fortschritt gepriesen wurde
und wird. Längst aber ist die Schwelle überschritten,
da die Vorteile die Nachteile überwiegen. Artensterben, Hochwässer,
Absinken des Grundwasserpegels und eine beträchtliche Verarmung
der Landschaft sind die bitteren Früchte einer Wirtschaftsweise,
die auf schrankenloses Mengenwachstum setzt und Spätfolgen
nicht bedenkt oder bedenken will.
Wenngleich das Verschwinden der Blauen Himmelsleiter von den meisten
fränkischen Landsleuten unbemerkt geblieben sein dürfte,
so könnte doch die wachsende Leere der Fluren alarmieren:
in diesem Fall könnte die blaue Leiter zum Himmel noch eine
kleine Chance haben.
Lebensräume in Franken (11): Feuchtgebiete - Röhrichte,
Sümpfe und Moore