Der blauen Himmelsleiter eine Chance
Lebensräume in Franken (11): Feuchtgebiete - Röhrichte, Sümpfe und Moore

In der "Roten Liste für Oberfranken", die gefährdete Pflanzen und Lebensräume unserer Heimat ausweist, gelten sie als ausgesprochene Mangelbiotope: die Feuchtgebiete - Naßwiesen, Hochstaudenfluren, Röhrichte, Segggensümpfe und Moore jeder Art. Diese vom Element Wasser geprägten Lebensräume nehmen z.B. im Regierungsbezirk Oberfranken nur noch eine Fläche von 0.2% ein! Über die Hälfte der auf feuchte Biotope angewiesenen Pflanzen sind in ihrem Bestand ernsthaft gefährdet, beispielsweise Stauden mit so lyrisch klingenden Namen wie die Gelbe Wiesenraute oder die Blaue Himmelsleiter.

Allerorts sind Feuchtgebiete durch Entwässerungsmaßnahmen bedroht. Als böser Bube wird einmal mehr die Landwirtschaft benannt, die ständig neues Land urbar machte, obwohl die Scheunen bereits voll waren. Die Agrokultur erscheint allerdings insofern nur bedingt schuldfähig, als sie selbst zum Opfer der unerbittlichen Gesetze unserer Marktwirtschaft geworden ist.

Die landesweite Gefährdung der Feuchtgebiete hat den Gesetzgeber auf den Plan gerufen: er hat nolens volens den berühmt-berüchtigten Artikel 6d in das Bayer. Naturschutzgesetz eingefügt. Berühmt, weil dieser Artikel einen pauschalen Schutz für feuchte Biotope darstellt und "bahnbrechend" für den Naturschutz gewirkt hat, und berüchtigt, weil er bei so manchen Bauvorhaben im Zentrum des erbitterten Konfliktes zwischen Naturnutzern und Naturschützern steht.

Im Behördenjargon haben sich die feuchten Areale voll wimmelnden Lebens denn auch mittlerweile zu den etwas blutleer akzentuierten "6d-Flächen" gewandelt. Nichtsdestotrotz ist ein Besuch an solcher Stätte ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus. Da flöten die hurtigen Rohrsänger zwischen den Schilfhalmen, flattern poppige Falter über den Blütenständen der Hochstauden dahin und funkeln die gelben Blüten der Schwertlilie wie kleine Sonnen.

Freilich hatten und haben diese Biotope ihre zwei Gesichter wie alles in der Natur. Denn an so manchem heißen Sommertag steigt unangenehme klebrige Schwüle aus ihnen empor und allerhand stechende Insekten fallen in der Dämmerung über den arglosen Spaziergänger her. In den fränkischen Weihergebieten gab es noch bis kurz vor der Jahrhundertwende Malaria! Und häufig litt man unter den naßkalten Lebensbedingungen in der Nähe von Mooren, Sümpfen und Röhrichten, welche die Anfälligkeit gegen Krankheiten steigerten.

So ist es verständlich, daß die Trockenlegung des Landes von vielen Mündern als grandioser Fortschritt gepriesen wurde und wird. Längst aber ist die Schwelle überschritten, da die Vorteile die Nachteile überwiegen. Artensterben, Hochwässer, Absinken des Grundwasserpegels und eine beträchtliche Verarmung der Landschaft sind die bitteren Früchte einer Wirtschaftsweise, die auf schrankenloses Mengenwachstum setzt und Spätfolgen nicht bedenkt oder bedenken will.

Wenngleich das Verschwinden der Blauen Himmelsleiter von den meisten fränkischen Landsleuten unbemerkt geblieben sein dürfte, so könnte doch die wachsende Leere der Fluren alarmieren: in diesem Fall könnte die blaue Leiter zum Himmel noch eine kleine Chance haben.