Vom Urstrom zum Kanal
Schotterablagerungen im Donauraum brachten es erst in diesem Jahrhundert
an den Tag: in grauer Vorzeit entwässerten Main, Regnitz
und ihre Zuflüsse unser Gebiet nicht wie heute zum Rhein
hin, sondern sie flossen zur Donau. Südlich von Nürnberg
gefundenes Gesteinsmaterial erwies sich eindeutig als aus dem
oberfränkischen Raum stammend und mußte von der Strömung
des Maines und der Regnitz dort hingebracht worden sein.
Die Umkehr der Fließrichtung war vor etwa 2,5 Millionen
Jahren geschehen. Wie konnte es dazu kommen?
Flüsse haben das Bestreben, sich entgegen der Fließrichtung
in das Gestein einzugraben. Dieser stromaufwärts gerichtete
Erosionsprozeß dauert Jahrtausende und führt zur allmählichen
Ausweitung und Vertiefung des Flußbettes. Als sich vor 2,5
Millionen Jahren der Rhein durch einen Grabenbruch vertiefte,
verstärkten sich die Erosionsprozesse in den Zuflüssen.
Das führte letztlich zu einer Talverbindung mit dem Main-Regnitz-Raum,
aus dem dann das Wasser rheinwärts und nicht mehr donauwärts
abzufließen begann. Ein Prozeß, der auch heute noch
fortschreitet und die bestehenden Wasserscheiden nach wie vor
langsam verändert.
Bis ins 11.Jahrhundert schlängelte sich die Regnitz in Bamberg
von Menschenhand unberührt dahin. Ihren Weg durch den sandigen
Talraum suchte sie sich selbst, mäandrierte, ließ Altarme
zurück, teilte sich in kleinere Strömungen und nahm
hier und da wieder Land mit. Schließlich mündete sie
in den Main. Die Regnitzaue war vornehmlich mit feuchtigkeitsliebenden
Gehölzen bestockt: Weiden, Erlen, Eschen und Ulmen. An ganz
nassen Stellen wuchsen keine Bäume, dort gab es Sümpfe.
Außerhalb der Aue existierte ein mit Buchen, Hainbuchen
und Eichen bestandener Wald.
Im 6./7. Jahrhundert waren es slawische Siedler, die diesen Wald
im Gebiet des heutigen Domberges rodeten und sich dort ansiedelten.
Die Rodungsflächen wurden nach und nach ausgeweitet, und
da die Siedlung günstig lag, entwickelte sie sich zur Stadt.
Die eigentliche Flußaue mied man vorerst. Denn die Strömung
war zu tückisch, der Flußlauf änderte sich ständig
und die Überschwemmungen waren unberechenbar.
Markante Eingriffe des Menschen in das Flußsystem der Regnitz
fanden erst im 11. Jahrhundert statt. Bamberg erlebte seine erste
wirtschaftliche Blüte. Die dafür nötige Energie
trotzte man dem Wasser ab. Man begann das Flußwasser zu
regulieren und zu kanalisieren, und man begann Mühlen zu
bauen. Auf diese Weise entstand der linke Regnitzarm, wobei bislang
unklar ist, ob er als künstlicher Mühlgraben oder durch
Bündelung mehrerer kleinerer Nebenarme der Regnitz entstand.
Das Wehr bei Bug, die Dämme, Faschinen und andere Uferbefestigungen
hatten aber letztlich nicht genug Widerstandskraft, um den Fluß
zu bändigen. Überschwemmungen waren nicht selten. Belastend
war dies vor allem für das sich ausweitende Gärtnerland
im Bamberger Talraum. Trotz aller Anstrengungen dauerte es bis
zum 19.Jhd, bis man den endgültigen "Sieg" über
den Fluß errang.
Die Urbarmachung des Regnitztales hatte ein immer weiteres Zurückdrängen
der ursprünglichen Vegetation zur Folge. Der Hauptsmoorwald,
der bis ins 18.Jahrhundert ein Laubwald war, bekam dies am Eindringlichsten
zu spüren. Auch die Insel (=Wörth) zwischen dem linken
und rechten Regnitzarm blieb vor Rodungen nicht verschont, doch
einem glücklichen Umstand im Jahre 1567 ist es zu verdanken,
daß ein Auwäldchen am Mühlwörth erhalten
blieb. Daraus entstand zu Beginn des 19.Jhds der Hain.
Nicht so zimperlich ging man mit dem Waldbestand der Stephaner
Mark zwischen dem linken Regnitzarm und dem Kaulberg um, der sich
stadtauswärts bis nach Bug zog. Die Rodungen (13.-15.Jhd.)
dienten dort dazu, Weinbau zu ermöglichen.
Über den dritten größeren Stadtwald, den Michaelsberger
Wald, ist nur so viel bekannt, daß er als Laubwald einstmals
bis an die Regnitz reichte.
Wie sich der Lauf der Regnitz in den folgenden Jahrhunderten veränderte,
welche Maßnahmen im Einzelnen ergriffen wurden, um Überschwemmungen
zu vermeiden, ist nicht lückenlos aufgezeichnet. Erst mit
dem angehenden 19.Jahrhundert, als das Wissen um Hydromechanik
und Hydrodynamik wuchs, läßt sich die Geschichte der
Regnitz detaillierter rekonstruieren. Anders als im Jahre 1731,
als der Fluß seinen Mäander bei Gaustadt selbst durchbrach,
half der Mensch im Jahre 1809 mit dem Durchstich des Mainmäanders
bei Bischberg nach. Mit dieser Regulierungsmaßnahme im Mündungsbereich
der Regnitz wurde die Einmündungsstelle in den Main etwa
einen Kilometer flußabwärts verlegt. Seitdem hat sich
nichts mehr am Zusammenfluß der beiden Flüsse geändert.
Das ehrgeizigste Projekt der Flußregulierung nahm König
Ludwig I. von Bayern mit der Verbindung der Flüsse Main und
Donau in Angriff. Die Idee selbst ist uralt. Schon Kaiser Karl
der Große träumte von einer solchen Verbindung, doch
scheiterte seine Fossa Carolina an den technischen Schwierigkeiten
der damaligen Zeit. Tausend Jahre sollten vergehen, bis wieder
ein Monarch diese Idee aufgriff und diesmal mit Erfolg umsetzen
ließ. Erste Planungen zum Ludwig-Donau-Main-Kanal machte
man 1830 und schon sechs Jahre später wurden die ersten Schritte
realisiert. Das Flußbett wurde ausgebaggert, der ganze Fluß
drastisch verschmälert und in ein festeres Korsett geschnürt.
Das eigentlich Neue war aber der Kanal, der seine geradlinige
Trasse durch die Lande zog, bei Bughof einknickte und in die Regnitz
mündete. In die Zeit dieser gravierenden und diesmal erfolgreicheren
Bändigung der Regnitz fällt die Anlage des Hains. Zunächst
war er nur eine kleine Promenade für die Bamberger Bürger.
1803 aber wurde der Untere Mühlwörth zwischen Hollergraben
und linkem Regnitzarm zum Theresienhain ausgeweitet. 1824 kam
dann der Obere Mühlwörth mit seinem Baumbestand dazu
und schließlich 1856 der Hutanger, jene licht mit Bäumen
bestandenen Wiesen an der Südspitze der Insel.
Im Inselnorden wurde indes ein Werkkanal zum Antrieb der Turbinen
für die 1860 gegründete ERBA geschaffen. Im Jahr 1890
schließlich war das Projekt des Ludwig-Donau-Main-Kanal
und der Regnitzregulierung vollendet. In dieses Jahrzehnt fällt
auch die schrittweise Aufschüttung der Schiffswinterung,
so daß Markusplatz und später die Weide im Zuge der
Stadterweiterung entstanden.
Im folgenden Jahrhundert sollte sich an dem Verlauf des Gewässers
nicht mehr viel verändern. Lediglich Korrekturen waren angesagt.
Dennoch wird mit dem Jahre 1912 nochmals ein neues Kapitel Fluß-
und Stadtgeschichte aufgeschlagen: die Eröffnung des Prinz-Ludwig-Hafens,
dem späteren Staatshafen.
In den 60er kam es zu einer "Überarbeitung" des
LMD-Kanals. Mit dem Rhein-Main-Donau-Kanal wurde der einstmals
typische Mündungsknick bei Bughof aufgehoben. Stattdessen
fließen jetzt rechter Regnitzarm und Kanal weiter stadteinwärts
zusammen. Neben dem Bau eines neuen Wehres und einer Schleuse
sowie der abermaligen Verbreiterung des rechten Regnitzarmes und
dem Abbruch eines Stauwerkes bei Bischberg waren die einstigen
Ziele endgültig erreicht: Hochwasserfreilegung von Bamberg
und Verbindung von Nordsee und Schwarzem Meer.
Der Preis für unsere Sicherheit und Interessen ging allerdings
immer auf Kosten der Natur. Bei der Stadtbiotopkartierung 1989
konnten nur noch kleine Fragmente der ursprünglichen Auevegetation
als Bestand aufgezeichnet werden: die Auwaldrelikte entlang der
Regnitz südwestlich von Bug und ein Altwasserarm des Mains,
der aber durch eine geplante Gewerbeansiedlung nördlich der
B26 in seiner einmaligen Biotopfunktion schon wieder gestört
werden könnte.
Zur Geschichte der Regnitz im Bamberger Raum