Von der Weide zum Lustwäldchen
Ein Spaziergang durch die Naturgeschichte des Hains

Seit knapp 200 Jahre ist er der Treffpunkt für Jung und Alt, wenn es darum geht der Enge und Betriebsamkeit der Stadt zu entfliehen: der Hain - jene grüne Halbinsel zwischen den Regnitzarmen, die wegen ihrer zentralen Lage für die städtische Naherholung von besonderer Bedeutung ist.

Einen Streifzug durch die Geschichte des Hains unternimmt man am besten auf einem Rundgang. Ausgangspunkt dafür ist die Walkmühle am Eingang zum Theresienhain. Müller waren es hauptsächlich, die dieses Areal zwischen den beiden Regnitzarmen zunächst intensiv nutzten. Damals wechselten sich der reine Nutzwald für Bauholz und Schweinemast mit Weidegründen und Ackerflächen ab.

Nach der Säkularisation hörte die wirtschaftliche Nutzung schlagartig auf. Der bayerische König Maximilian I. verfolgte seit dem Sommer 1803 ehrgeizige Pläne: die Anlage eines "Lustwäldchens" zum Promenieren für die Bamberger Bevölkerung. Dafür bot sich der Wald mit seinen mächtigen Eichen - Relikte der Hartholzaue der Regnitz - geradezu an. Er sollte im Stil eines Landschaftsgartens gestaltet werden. Verdient machte sich dabei der königlich-bayerische Generalkommisar Stefan Freiherr von Stengel, unter dessen Leitung der Theresienhain entstand. Dem Planer zu Ehren heißt die Lindenallee auf dem Weg zum Bootshaus heute Stengel-Allee. Von Stengel besiegelte noch im Oktober des Jahres 1803 mit seiner Unterschrift den Schutzstatus des neuen Volksparkes am Unteren Mühlwörth. Er zählt damit zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands. Die Verordnung spricht das Verbot aus "zu grasen, Eicheln zu lesen, zu holzen, Bäume und Gesträuche abzuschneiden, Vögel zu schisen, zu fangen, oder die Nester auszunehmen oder zu zerstören" unter der Androhung einer "dreymonatlichen Zuchthaus-Strafe". Man sieht, daß Naturfrevel schon damals kein Kavaliersdelikt war.

Damals wie heute war der Schutz aber mit Ausnahmen versehen. Beispiel dafür bietet das Bootshaus gleich am Anfang der sich nun verbreiternden Parkanlage. Zuerst hatte hier ein Badehaus gestanden. Es war 1814 vom damaligen Verwalter des Hains, Freiherr von Hohenhausen, erbaut worden. Der Bau mißfiel der Bevölkerung jedoch sehr, so daß er 1913 abgebrochen wurde und an seiner Stelle das Bootshaus für den Ruderclub entstand. Es wurde 1935 durch das Hainbad ergänzt, was einen erheblichen Verlust für den Baumbestand bedeutete. Ansonsten ging man mit der ursprünglich gewachsenen Umgebung pfleglich um und beließ sie in ihrem Zustand. Denn der gebildete Mensch des 19. Jahrhunderts sah die Natur erstmals als etwas Gutes und Schönes an. Diese Gedanken übertrugen sich auf die Bilder der Landschaftsmaler, oftmals in verklärenden Ideallandschaften. Schließlich wurden sie Realität im sogenannten Landschaftsgarten, wie der Englische Gartenstil auch genannt wird. Man bezieht nunmehr anders als im Barock die gewachsene Natur in die Gestaltung ein. Auf die Wegeführung legten die Parkgestalter besonderen Wert. Das Wegenetz des Hains wurde sehr behutsam in den Wald gelegt, um möglichst wenig Bäume fällen zu müssen. Ebenfalls typisch für den Landschaftsgarten sind Pavillions, Gedenksteine und -stätten oder Tempel, wie sie auch im Hain anzutreffen sind. Eigens zu diesem Zweck wurde 1804 in Schloß Seehof der Belvedere- oder Druidentempel abgebrochen und am Ende des Theresienhains aufgestellt. Der Tempel markiert die Grenze zwischen den beiden Parkteilen, wenngleich die Trasse des Münchner Rings die Trennung radikaler vornimmt.

Daß sie auf der Schillerwiese herumtoben, wissen die Hunde natürlich nicht, aber auch den meisten Hundehaltern sowie den Sonnenhungrigen dürfte der Name dieser Wiese am Anfang des Luisenhains kaum geläufig sein. Schon 1825 erwarb die Stadt Bamberg unter tatkräftiger finanzieller Unterstützung der Bevölkerung den an die Schillerwiese angrenzenden oberen Mühlwörthwald (Buger Wald). Zur Abrundung des Parkes kaufte die Stadt zwei Jahre später dann auch noch die dazwischenliegende Schillerwiese. Sie diente vor der Umgestaltung zur gepflegten Wiese als Schafweide, die aber wenig genutzt wurde. Doch beließ man es nicht nur bei einer Wiese, sondern pflanzte 1880 auf Veranlassung des Kunstgärtners Daniel Mayer ringsum die verschiedensten Eichenarten und -sorten. 147 unterschiedliche Eichen sollen es gewesen sein, von denen heute rund 40 Eichen, die die Arten- und Zuchtvielfalt dieses Baumes vermitteln, verblieben sind. Die Bäume tragen Namen wie Roteiche, Kastanienblättrige Eiche, Zerreiche, Flaumeiche oder Sumpfeiche, um nur einige Arten zu nennen. Dazu kommen die Spielarten der Stieleiche (Quercus robur), die ja für die Hartholzaue der Regnitz so typisch ist. Diese einzelnen Sorten der Stieleiche auseinanderzuhalten ist nicht leicht. Oftmals ist es die Färbung der Blätter beim Austrieb, die Blattform oder der spezielle Wuchs, die eine bestimmte Abart charakterisieren. Das ist auch bei der Schillereiche der Fall. 1959 wurde sie anläßlich des 200. Geburtstages von Friedrich Schiller mitten in die Schillerwiese gepflanzt. Sie ist durch weit herunterhängende Äste gekennzeichnet. Die Botaniker geben ihr daher die Sortenbezeichnung Quercus robur "Umbraculifera" (Stieleiche mit "regenschirmförmiger" Krone). Schon ab 1803 war man übrigens bestrebt, Artenvielfalt in die Parkanlage zu bringen, nicht nur um den Schädlingsbefall bei Eichen zu minimieren. Zunächst waren es heimische Gehölze wie Buchen, Hainbuchen, Ahorne oder Eschen, die den alternden oder geschädigten Baumbestand ersetzten. Bald aber kamen seltene fremdländische Gehölze oder eben die Zuchtformen heimischer Bäume hinzu.

Wer aufmerksam durch den Wald zur Buger Spitze weitergeht, bemerkt es bald: im einstigen lichten Eichenwald ist es eng und dunkel geworden. Buchen und Hainbuchen sind es vor allem, die um das Licht streiten. Junge Eichen haben das Nachsehen, oder kommen erst gar nicht zum Keimen, da der Wald dafür schon zu düster ist. So ändert sich der Baumbestand allmählich in seiner Zusammensetzung, auch wenn heute wieder verstärkt Eichen nachgepflanzt werden.

Noch bis 1925 konnte die Regnitz bei Hochwasser Schaden anrichten. Schwachstelle war dabei die Buger Spitze, die erst im Zuge der Flußregulierung der Regnitzarme wirkungsvoll befestigt wurde. Aber nicht nur Hochwässer setzten den Bäumen zu. Zu nennen sind das schwere Unwetter im Jahre 1928, bei dem über 1000 Bäume entwurzelt wurden. In jüngster Zeit entstanden durch die Orkane Vivian und Wiebke sowie Lore (28.1.1994) erheblicher Schaden.

Gefährdet gegenüber Schädlingen und Pilzinfektionen sind vor allem die Eichen. Durch die künstliche Durchmischung mit anderen Arten wurde zwar die Befallmöglichkeit minimiert, aber schon 1880 versuchte man die Eichen vor Schädlingen durch mit Schiffsteer getränkte Klebegürtel zu schützen - ohne Erfolg. Andererseits sind gerade die abgestorbenen bzw. absterbenden Eichen wichtiger Lebensraum für Tiere. Nicht zuletzt auf den hohen Totholzanteil ist es zurückzuführen, daß hier viele Fledermäuse, Vögel (46 Brutvogelarten!) und Insekten Heimat gefunden haben und der Hain bei der Stadtbiotopkartierung 1989 neben den Buger Wiesen, der Mainaue und dem Flugplatz Kramersfeld als besonders artenreiches Biotop erfaßt wurde.

Daß selbst Totholz noch lebendig ist, kann an einem alten morschen Eichenstamm der am Weg zum Botanischen Garten liegt, gut beobachtet werden. Dieser Weg führt über licht mit Bäumen bestandene Wiesen - dem früheren Heßlein'schen Hutanger, der 1836 wiederum mit Bürgerbeteiligung erworben wurde. Rund 30 Jahre sollten aber vergehen bis auch dieser Teil kultiviert war und in den Park integriert wurde.

Damals schwelte schon der Streit zwischen dem Königreich und der Stadt Bamberg, wem eigentlich der Theresienhain gehörte. Er wurde im Jahre 1870 beigelegt, als der bayerische Staat diesen Teil der Stadt Bamberg mit der Auflage übereignete, daß die Nutzung als Park fortan festgeschrieben werden müsse. Mit der Anlage des Botanischen Gartens im Zentrum des Hains erhielt die gesamte Parkanlage im Jahre 1923 nochmals ein neues Aussehen. Seit 1976 ist der Hain wegen seiner Bedeutung für die Naherholung und seiner Artenvielfalt als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.