Jetzt haben die Wachteln ihren König
Überraschender Fund des seltenen Wachtelkönigs in der Südflur - Erfolg der Renaturierungsmaßnahmen des Umweltamtes

WACHTELKÖNIG (Crex crex)


"Kräcks-Kräcks" - "Kräcks-Kräcks" - seit einigen Wochen schallt in den Nächten der zweisilbige, schnarrende Ruf eine der bestversteckten Vogelarten Deutschlands über die Wiesen der Südflur. Er geht von dem Männchen eines bodenbrütenden Vogels aus, der nach der Bundesartenschutzverordnung und der EU-Vogelschutzrichtlinie unter strengstem Schutz steht. Der Wachtelkönig, auch Wiesenralle genannt, ist eine von 24 europäischen Vogelarten, die weltweit im Bestand bedroht sind.

Allzuviel weiß man noch nicht über ihn, da er sehr heimlich lebt, unstet ist und seine Nester kaum aufzufinden sind. Die Weibchen brüten bis zu zwei Mal im Jahr, das Gelege hat etwa 10-12 Eier. Sein natürlicher Lebensraum dürften Niedermoore und die einst wilden Flußauen gewesen sein, auch hochmontane Bergwiesen. Er gilt als Beiart der "großen" Wiesenbrüter Brachvogel, Uferschnepfe und Rotschenkel, die aber in Ober- und Unterfranken nicht vorkommen.

Der seltene Vogel, der ein wenig kleiner als ein Rebhuhn ist, wurde von Thomas Stahl, dem Vorsitzenden der Bamberger Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz, und Dr.Gerdes, Biologe im Umweltamt, bei einer Nachtexkursion im Bamberger Süden in der Nähe des Sendelbaches entdeckt. Sein Ruf ist in der Talaue Hunderte von Metern weit zu hören und kaum zu verwechseln, zumal er in der Nacht nur vom Gesang der Nachtigall und dem Sirren des Feldschwirls begleitet wird, aber man muß ihn eben erst einmal kennen, um darauf aufmerksam zu werden. Ihr Ruf hat der Wiesenralle auch ihren lateinischen Namen eingebracht: "Crex crex". Dr. Ries, damals ordentlicher Professor am Lyzeum Bamberg, der Anfang des Jahrhunderts die Vögel Bambergs und seiner Umgebung kartierte, schreibt, daß das "Landvolk" den Ruf des Wachtelkönigs als "Knecht mäh, Knecht mäh" deutete.

Um seinen Ruf zu provozieren, spielten die beiden Naturschützer vor Ort ein Endlosband mit der konservierten Stimme eines Männchens ab. Damit lockt man das Männchen im Revier an, da es seinen vermeintlichen "Rivalen" daraus vertreiben will. Mit ein wenig Glück läuft einem dabei der sonst im hohen Gras kaum auszumachende Vogel über die Füße. Der rufende Vogel der Südflur konnte von Thomas Stahl, der zuvor in Polen an einem Forschungsprojekt zum Wachtelkönig mitgearbeitet hatte, im Licht der Taschen-lampe eindeutig als Wachtelkönig identifiziert werden.

Der deutsche Name des Vogels, der nicht mit den Wachteln, sondern mit den Rallen wie Bläß- und grünfüßiges Teichhuhn verwandt ist, rührt daher, daß der Wachtelkönig in früheren Zeiten oft zusammen mit Wachteln gefangen wurde, und da er etwas größer ist, wurde er von den Bauern und Jägern als König der Wachteln bezeichnet. Wie Dr.Gerdes mitteilt, habe sich das beobachtete Männchen gerade in demjenigen Lebensraum niedergelassen, wo das Umweltamt in Zusammenarbeit mit der Wachtelgruppe Bamberg im letzten Jahr (50 Exemplare) und noch einmal vor einem Monat (35) Wachteln ausgewildert hatte. Offenbar habe man das richtige Biotop für die Freisetzung gewählt. Denn Wachtelkönig und Wachteln bevorzugen gleichermaßen mehrjähriges Brachland mit hohen Gräsern und Stauden, die von oben Deckung geben, aber im unteren Stengelbereich durchlässig sind und ein gutes Vorankommen am Boden gewährleisten. Normalerweise kommt Crex crex in Niedermooren und binsen- oder seggenreichen Wiesen der Auen vor, die kaum verfilzen. Gelegentlich brütet er auch in Feldern. Seine Bestände schwanken gebietsweise und jährlich sehr stark, sind aber nachgewiesenermaßen in Mitteleuropa seit Jahrzehnten rückgängig. Die Hauptursachen dafür sind Umbruch von Grünland oder Entwässerung und Düngung von Wiesen, die mit einer intensiveren Bewirtschaftung einhergehen. Verheerend für seine Bestände ist die nach vorn gerückte erste Wiesenmahd, die jetzt schon oft Mitte Mai stattfindet. Der Wachtelkönig benötigt Grünland, das nicht vor Anfang August geschnitten wird. Immerhin hat er in Osteuropa (Estland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowenien, Rußland u.a.) noch deutlich höhere Bestandsdichten, was auf die dortige Art der Landbewirtschaftung zurückzuführen ist: je nach Blickwinkel kann man sie als extensiv loben oder als wenig effektiv kritisieren. Hinzu kommt, daß der Kollaps der Sowjetunion dazu geführt hat, daß viele osteuropäische Ländereien brachgefallen sind, was den Wachtelkönig zunächst sicherlich fördern wird.

Um das Jahr 1910 beschreibt der Bamberger Professor Dr. Ries Brutvorkommen des Wachtelkönigs im Regnitztal bei Pettstadt, Seußling, Hirschaid, Buttenheim, mainaufwärts bei Kemmern, bei der Baunacher Mainbrücke, bei Zapfendorf, bei Unterleiterbach, Staffelstein und Banz, weiterhin im Tal der Rauhen Ebrach, im Itzgrund und auf Wiesen zwischen Merkendorf und Memmelsdorf sowie bei Geisfeld, Roßdorf und Scheßlitz. Im Stadtgebiet rief der Wachtelkönig nach Ries damals beim Durchzug gelegentlich von den Hängen der Altenburg. Auch während des Herbstzuges ab August, hauptsächlich aber im September, zeigte er sich an vielen Orten in und um Bamberg, einzelne Exemplare sogar bis November, und "bei Kemmern wurde sogar am 6.1.1906 noch ein abgemagerter Wachtelkönig am Main erlegt".

Die Art scheint damals ziemlich häufig gewesen zu sein. Heute ist der Wachtelkönig als Brutvogel in Franken nur aus der Rhön, dem Wiesmet bei Ansbach, dem Grenzgebiet zu Tschechien (Regentalaue bei Cham) und dem Unteren Wiesenttal bei Forchheim bekannt, wo er sein zweitgrößtes bayerisches Vorkommen hat (etwa 10 rufende Männchen). Sein größter Bestand und einer der bedeutendsten in Deutschland befindet sich im Murnauer Moos (etwa 50 rufende Männchen). Der bayerische Gesamtbestand wird auf 250 rufende Männchen geschätzt, der bundesweite auf 750.

Als Durchzügler - er überwintert südlich der Sahara in Zentral- und Südafrika - besetzt er hie und da sporadisch Reviere in Auenwiesen, ohne aber zu brüten. 86% aller Meldungen von Wachtelkönigen beziehen sich auf eine Aufenthaltsdauer von weniger als 10 Tagen. Das Männchen im Bamberger Süden ruft seit zwei Wochen. Die beiden Bamberger Naturschützer hoffen jetzt, daß es ein durchziehendes Weibchen anlockt und es in der Südflur zur Brut kommt. Vielleicht, so Stahl und Gerdes, ist das der Beginn einer Wiederbesiedlung seiner alten Lebensräume und ein Zeichen, daß die Talsohle des Artenschwundes der 60er bis 80er Jahre durchschritten ist. Auf jeden Fall dürfe man sich aber darüber freuen, daß die vom Umweltamt im Bamberger Süden durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen der letzten Jahre erfolgreich waren: nach Blaukehlchen, Nachtigall, Feldschwirl und Neuntöter habe man jetzt den seltenen Wachtelkönig in der Stadt.

Hinweise auf den Wachtelkönig in Stadt und Landkreis Bamberg sowie Fragen zum Thema nimmt Thomas Stahl, Tel. 09546/921126, entgegen.