Gemein und doch nützlich
Fränkische Wildpflanzen (2): die Gemeine Schafgarbe

Achilles, Nieskraut, Gänsezunge, Wundkraut, Tausendblatt: die Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) hat eine Menge volkstümlicher Namen. Kein Wunder, denn die verbreitete Pflanze, die zur Familie der Korbblütler gehört, ist seit Jahrtausenden als Heilpflanze in Gebrauch.

In China war sie bereits vor 4000 Jahren eine Art Zaubermedizin. 49 trockene Stengel der Schafgarbe zu zählen, war und ist eine klassische Beschwörungszeremonie des chinesischen Weisheitsbuches "I Ging". Auch die Indianer kannten das Tausendblatt schon vor der Ankunft der Weißen. Der Gattungsname Achillea (die Schmerzvertreiberin) stammt aus der griechischen Mythologie, in der Achilles sie zum Heilen seiner Wunden verwendet. Millefolia ("mille = tausend", "folia = Blatt") bezieht sich auf die feingeteilten Blätter des ausdauernden Krautes. Da kranke Schafe beim Verzehr der Pflanze häufig genasen, wurde sie von unseren Ahnen Schafgarbe genannt (althochdeutsch: "garwe = heiler").

Mit Sommerbeginn zeigen sich die oft rosa überlaufenen Blütenschirme der anmutigen Heilpflanze. Sie zersprühen wohlriechendes, äherisches Öl in die umgebende Luft. Die Blüten stehen nicht wie bei anderen Arten der Familie (Löwenzahn, Sonnenblume, Margerite) in einem einzigen Korb zusammengedrängt. Sie sind vielmehr verteilt auf mehrere kleine "Körbchen", die sich in der dekorativen Form einer Dolde dem Licht zuwenden. Was wie eine Blüte erscheint, ist in Wirklichkeit keine: eine Falle der Botanik, in die selbst so mancher Kenner tappt.

Die Schafgarbe, in der Geschichte der Schöpfung relativ spät entstanden, geht in der Imitation ursprünglicher Pflanzenfamilien noch weiter. Sie kehrt im Erscheinungsbild zur klassischen, fünfstrahligen Blüte zurück. So wachsen genau fünf der äußeren Blüten eines Körbchens zu weißen Zungen aus und simulieren damit einzelne Blütenkronblätter. Ein Trick, um Insekten für sich zu gewinnen, die älteren Pflanzenfamilien im Lauf wechselseitiger Anpassung bereits als Bestäuber an sich binden konnten. Die Schafgarbe erspart sich diese Koevolution und die Zeit, die eine solche kostet. Durch Nachahmung macht sie den "Alten" die hilfreichen Sechsbeiner streitig. Eine nicht sehr charmante, aber wirkungsvolle Art, die eigene Fortpflanzung zu forcieren.

Achillea liebt Licht und Trockenheit. Ätherisches Öl, das im Reinzustand von blauer Farbe ist, schützt sie vor zuviel Hitze. Es ist leicht flüchtig: bei seiner Verdunstung kühlt die Pflanze ab. Und auch für den Menschen verstömt das Öl seine wohltätige Wirkung. Es stoppt wie bei der Pflanze die "heißen Prozesse" (Entzündungen) im Körper. Ein Teeauszug des blühenden Krautes hilft innerlich bei Erkältung und Periodebeschwerden, äußerlich als Wickel oder Badewasserzusatz bei Verwundungen, Blutungen und Nervenschmerzen.

Im Garten ist das Tausendblatt nicht weniger nützlich: seine niederliegenden Sprosse verbessern die Dichte des Rasens und sorgen selbst bei extremer Trockenheit für grünes Aussehen. Außerdem wurde entdeckt, daß die Wurzelausscheidungen benachbarte Gräser kräftigen.

Nicht alles, was gemein ist (im botanischen Sinn: weit verbreitet), muß demnach auch schädlich sein. Im Gegenteil. Gerade unsere häufigsten und vitalsten "Unkräuter" (Wegerich, Brennessel, Kamille, Quecke usw.) sind die besten Heilpflanzen.