Reiches Leben auf armem Boden
Wenn im Frühjahr die Zitronenfalter das neue Leben verkünden
und im Buchenwald die weißen Sterne der Buschwindröschen
über Nacht aus der Erde schießen, beginnt es sich auch
an den baumlosen Hängen des Albrandes zu regen. Dort stehen
noch mancherorts, besonders in den Steillagen, die immergrünen,
dornigen Sträucher des Gemeinen Wacholders. Sie wachsen in
lockeren Abständen inmitten strohfarbener Heide, die sich
deutlich von dem Grün der benachbarten Fettwiesen abhebt.
Hier wird weder gedüngt noch gespritzt. Der flachgründige
Kalkboden ist zu karg für die Landwirtschaft und die Hänge
des Albtraufes oft zu steil für den Einsatz schwerer Maschinen.
So konnten sich diese Wacholderheiden als sogenannte "Grenzertragsflächen"
in einer sonst intensiv bewirtschafteten Flur halten. Es sind
wahre Eldorados für Pflanze und Tier. Sie zählen zu
den artenreichsten Lebensräumen unserer mitteleuropäischen
Landschaft.
Schon im März sprießen zu Füßen des Wacholders
in kleinen Gruppen zarte, violette Veilchen hervor, und wenig
weiter, auf den vorragenden Dolomitfelsen, glänzen bald die
strahlend gelben Blüten des Fingerkrautes in der erstarkenden
Sonne. Sie eröffnen einen Blumenreigen, wie er sich anderswo
kaum findet. Durch die offene Lage erwärmt sich der Boden
schnell. Das ist zunächst ein Vorteil, wird aber bald zum
Handicap. Während am Waldboden im Sommer eine Temperatur
von 20 Grad herrscht, heizt sich die Heide auf bis zu 50 Grad
auf! Um der Trockenheit zu entgehen, haben die Pflanzen der Wacholderheide
eine sehr frühe (Küchenschelle, Orchideen) oder sehr
späte Blüte (Disteln, Enziane, Astern). Der Wassermangel
stellt das Hauptproblem dar. Die Intelligenz der Natur - die nicht
erst beim Menschen beginnt - versucht ihn mit speziellem Verdunstungsschutz
zu meistern: ob Wachsüberzug, filzige Behaarung, niedriger
Wuchs oder weitreichendes Wurzelsystem - die Erfindungsgabe der
Blumen, das Verdursten zu verhindern, ist bewundernswert. So beträgt
das Verhältnis von Wurzelmasse zu Sproßmasse in der
Wiese 5:1, in der Heide hingegen 14:1. Um der Glut der Sommersonne
zu entgehen, verbleiben die Blumen großteils im Schutz des
kühlen Erdreiches.
Trotz der harten Lebensumstände gedeihen 1/5 (585 von 2667)
aller Pflanzenarten Deutschlands in solcher Heidevegetation. Ein
gealterter Trockenrasen weist durchschnittlich 100-200 Blütenpflanzen
auf, eine gedüngte Wiese etwa 20. Das reichste Leben entfaltet
sich auf den ärmsten, trockensten Böden. In menschliche
Spruchweisheit übersetzt lautet dieses Naturprinzip: Not
macht erfinderisch!
Allerdings nützt dieser Erfindungsreichtum wenig gegen die
massiven Einflüsse der Menschen. Düngung, Aufforstung,
aber auch Nutzungsaufgabe bedrohen die Wacholderheiden. Wenn diese
Biotope nicht wie bisher gemäht oder von Schafen beweidet
werden, entwickeln sie sich über Buschstadien zu Wald. Nur
noch 0.3% der Landesfläche Bayerns bildet Heidevegetation.
Viele dort lebende Pflanzen und Tiere stehen auf der "Roten
Liste", z.B. die Hälfte unserer heimischen Orchideenarten.
Der Staat versucht durch Ausweisung von Schutzgebieten und durch
spezielle Pflegeprogramme das Aussterben aufzuhalten. Aber der
Erfolg bleibt fraglich. Denn heutzutage regnet im Jahr soviel
Stickstoff auf die Erde nieder, wie in den 50er Jahren als Volldüngung
regulär ausgebracht wurden. Und wo gedüngt wird, muß
die Wacholderheide weichen.
Lebensräume in Franken (1.Folge): die Wacholderheiden
der Fränkischen Alb